Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1992) (91)

rigiet) aber die Verwaltung des Domkapitels führt, hat er immer mit Schmerzen gewartet, bis in Liech- tenstein die Goldwährung eingeführt werde.»131 So war es denn nur natürlich, dass der Wunsch, die Gold- oder Frankenwährung einzuführen, beson- ders im Oberland immer mehr an Boden gewann. Auf der anderen Seite standen die Unterländer Bauern. Sie verkauften ihre Produkte nach Vorarl- berg und bezogen ihren Bedarf von dort. Sie be- fürchteten durch die Einführung der Goldwährung eine Störung dieses ausgeglichenen Zustandes. So spaltete sich über dieser Frage der Landtag in zwei Lager, die sich in den Debatten der Jahre 1874/75 klar herausbildeten. Die Oberländer Abgeordneten stellten sich geschlossen hinter die Forderung, die Goldwährung unverzüglich einzuführen, die Unter- länder waren dagegen. Landtagspräsident Dr. Wil- helm Schlegel, der zusammen mit Landestierarzt Chr. Wanger den harten Kern der Goldbefürworter (im Volk Goldmänner genannt) bildete, hielt in der Landtagssitzung vom 19. Oktober 1875 eine «län- gere Rede»,132 in der er die Notwendigkeit einer Re- gulierung des Münzwesens und deren Dringlichkeit darstellte. Diese Gedanken enthielt im wesentli- chen auch eine Adresse an den Fürsten, welche der Landtag mehrheitlich gegen die 4 Stimmen der Un- terländer Abgeordneten beschloss. Landesverweser von Hausen schloss sich dem Wunsch nach einer gesetzlichen Neuregelung der Landeswährung an und brachte diesen Wunsch auch beim Fürsten in Wien vor. Doch in der Sitzung der Finanzkommission vom 24. Dezember 1875133 musste er mitteilen, dass der Fürst eine solche ge- setzliche Regelung vorläufig nicht gutheissen kön- ne. Grund dafür war, dass Liechtenstein durch den Zollvertrag von 1863 an das österreichische Münz- system gebunden war. Dieser Zollvertrag sollte ei- gentlich mit Ende des Jahres 1875 auslaufen, wur- de aber um ein Jahr verlängert, da die Vertragsver- handlungen noch zu keiner Einigung geführt hat- ten. Der Landtag bzw. die Oberländer Abgeordne- ten versuchten jedoch zu erreichen, dass schon ab Ende 1875 die österreichischen Silbermünzen nur mehr nach ihrem Kurswert berechnet würden. Da-gegen 
stimmten aber die drei anwesenden Unter- länder Abgeordneten, die im Auftrag einer Ver- sammlung aller Unterländer Vorsteher handelten. Die Vorsteher hatten auch eine Petition an den Für- sten gegen den Majoritätsbeschluss des Landtages verabschiedet. Dies nahm Landtagspräsident Dr. Schlegel in der Sitzung vom 10. Januar 1876134 zum Anlass einer ausführlichen Ansprache. Darin hob er die Bedeutung der Verfassung von 1862 hervor und unterstrich die Stellung des Landtags als «höchste Landesbehörde neben der Regierung»: «Den Beratungen und Beschlüssen des Abgeordne- tenhauses wird in jedem konstitutionellen Staate die höchste Würdigung zuteil. Leider gibt es auch in konstitutionellen Staaten grössere oder kleinere Fraktionen, welche die bestehenden . . . Verfassun- gen ... zu untergraben und das Ansehen der Volksrepräsentanz zu schädigen suchen. Eine klei- ne Episode solcher Art hat sich leider auch in unse- rem Land betreffs der Münzregulierung abge- spielt.» Dr. Schlegel kam dann auf die Versamm- lung der Unterländer Vorsteher und die Teilnahme des Landrats F.J. Kind135 daran zu sprechen und verurteilte dieses Vorgehen. Zum Schluss sagte dann Dr. Schlegel: «Übrigens wollen wir hoffen, dass auch diese Differenz auf verfassungsmässi- gem Wege geschlichtet werde. Es liegt nichts weni- ger im Wollen einzelner Landtagsabgeordneter, als dem Volke ihre persönliche Überzeugung zu ok- troyieren; nur ein gedeihlicher Fortschritt . . . soll das ernste Bestreben aller einsichtsvollen Männer sein. Halten wir deshalb die Verfassung als das höchste Palladium hoch und halten wir mit verein- ten Kräften aufrichtig zusammen, um das edle Ziel zu erreichen.» Schlegel sah offenbar nicht, dass er hier den Ton verfehlt hatte und die Gegner der Währungsreform nur noch weiter ins Abseits drängte. Mit der Landtagssitzung vom 10. Januar 1876 wurde die laufende Session abgeschlossen. Die nächste, für die Frage der Münzreform ent- scheidende Session wurde am 15. Dezember 1876 eröffnet. Die Wahl des Präsidenten ergab 12 Stim- men für Dr. Schlegel. In der gleichen Sitzung hatte Regierungschef von Hausen einen Gesetzesentwurf zur Regelung des Münzwesens eingebracht. 194
	        

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