Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1992) (91)

che des Landesphysikus ist, sondern die Wahl des Impfarztes prinzipiell freisteht. Dr. Wilhelm Schle- gel war am Zustandekommen des Sanitäts- wie auch des Impfgesetzes in allen Phasen massgeblich beteiligt. Zuerst als Berater der Regierung bei der Erstellung des Entwurfes, dann als Mitglied einer vorberatenden Spezialkommission des Landtags124 und schliesslich bei der Verabschiedung der beiden Gesetze am 31. Juli 1874 als Landtagspräsident bzw. Abgeordneter. Die «Liechtenst. Wochenzei- tung» meldete dann am 6. November 1874: «S.D. geruhte, dem neuen Sanitätsgesetz die Sanktion zu erteilen und den med. Dr. Schlegel für die erste lau- fende Amtsperiode zum Landesphysikus zu ernen- nen.» DIE ERSCHIESSUNG EINES WILDERERS Gegen Ende des Jahres 1874 ereignete sich ein be- dauernswerter Zwischenfall, der im Lande grosse Aufregung verursachte und schliesslich auch poli- tisch hohe Wellen schlug. Ein Wilderer wurde auf der Höhe des Bargellasattels oberhalb von Gaflei von einem fürstl. Forstadjunkten in flagranti er- tappt und, als er die Flucht ergriff, durch einen Schuss in den Rücken tödlich getroffen. Eine Agita- tion gegen das erst 2 Jahre vorher beschlossene Jagdgesetz fand in den Gemeinden guten Boden, und bald wurden von allen Gemeinden ausser Bal- zers und Vaduz Petitionen eingereicht, deren Hauptforderung meist darauf hinauslief, die Jagd im ganzen Lande freizugeben bzw. die Patentjagd einzuführen. Die Jagd war seit dem Mittelalter alleiniges Regal der Landesherren gewesen. Im Jahre 1848 hatte aber Fürst Alois II. dieses Regal an das Land abge- treten. Seit dieser Zeit verpachtete die Regierung die Hochjagd an den Fürsten, welcher wiederum einige Reviere jeweils in Unterpacht gab. In der Landtagssitzung vom 22. Dezember 1874125 wurde dann ein von 5 Abgeordneten unterstützter Antrag auf Revision des Jagdgesetzes von 1872 ein- gebracht. Insbesondere sollte in dem neuen Gesetz 
der Gebrauch der Waffe gegen Menschen, ausser im Falle der Notwehr, ausdrücklich verboten wer- den. Ferner sollte in dem neuen Gesetz festgelegt werden, «dass dem Lande resp. dem Landtage je- derzeit das freie Verfügungsrecht über die Jagd zu- stehe». Dieser Passus hätte es aber ermöglicht, ei- nen bestehenden Pachtvertrag jederzeit zu kündi- gen und auch die Jagd überhaupt freizugeben. Dar- in aber sah eine Mehrheit des Landtags einen Af- front gegen den Fürsten und die Unterpächter. Der von Christoph Wanger formulierte und auch von Dr. Schlegel unterstützte Antrag wurde dann mit 10:5 Stimmen abgelehnt, da das Verbot des Waf- fengebrauchs schon in einer Dienstanweisung für das Forstpersonal aus dem Jahr 1863 enthalten war und eine Freigabe der Jagd dem Mehrheitswil- len des Landtags nicht entsprach.126 Es entspann sich in der Folge eine umfangreiche Zeitungspole- mik, welche von Seiten der Befürworter einer Jagd- gesetzesänderung im «Werdenberger Anzeiger» und in der «Feldkircher Zeitung», von den Gegnern einer Änderung aber in der «Liechtenstein. Wo- chenzeitung» ausgetragen wurde. Die weitläufigen Auslassungen auf beiden Seiten lassen aber keine befriedigende Deutung des ganzen Streites und sei- ner Hintergründe erkennen. Doch da bietet uns ein privater Brief127 Hauptmann Peter Rheinbergers an seinen Bruder und seine Schwägerin in München wichtige Hinweise. Der Brief ist datiert vom 20. No- vember 1874. Nach der Schilderung der unglückli- chen Erschiessung des Wilderers und der Verurtei- lung der Tat fährt Peter Rheinberger fort: «Die ganze Geschichte ist aber um so unliebsamer, weil sie längstgeschlummerte Partheileidenschaf- ten wachrief, und von Dr. Schlegel und Wanger ge- genüber den Dr. Schädler offene Feindschaft veran- lasste und nun in öffentlichen Blättern Fürst, Be- amte und Volk bekleckst und beschimpft werden. Schlegel und Wanger möchten den Fürsten für die böse That verantwortlich machen und hetzen das einfältige Volk auf: man soll den Fürsten zur Nie- derlegung der Jagdpacht veranlassen etc.» Hier kommt also zum Ausdruck, dass schon weit zu- rückliegende Differenzen zwischen Dr. Schlegel und Ch. Wanger einerseits und den Dr. Schädler 192
	        

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