Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1992) (91)

DR. MED. WILHELM SCHLEGEL - ARZT UND POLITIKER RUDOLF RHEINBERGER Ich kann nur noch beifügen: wenn ich erfahren soll- te, dass wir die Spielbank bekommen, so werde ich erschrecken und wenn nicht, ebenfalls. So schwer ist die Wahl zwischen Schande und Ruin. Gegen die Bank zu sprechen, wäre gegenwärtig nicht ratsam. Das ganze Volk ist wie vom Veitstanz besessen, geistlich und weltlich, ohne Ausnahme, und wenn Peter dagegen wäre und es würde aufs nächste Jahr ein Rheinunglück geschehen, so wür- de er ohne Gnade und Barmherzigkeit gelyncht. Soweit der aktuelle Brief David Rheinbergers. In den zeitüchen Ablauf der Ereignisse fügt sich ein Bericht des Delegationsmitgliedes Landestechniker Peter Rheinberger, den dieser noch in Wien nach der Rückkehr von der Audienz beim Fürsten schrieb. Er ist an seinen Bruder David in Vaduz ge- richtet und enthält kurz zusammengefasst das Wichtigste der Reise zum Fürsten.114 Der Brief115 hat folgenden Wortlaut: Wien, 24. Novbr. 1872. Lieber Bruder! Ich berichte Dir nur in Kürze die Hauptmomente unserer Reise und unserer Mis- sion. Mittwoch 10 Uhr kamen wir wohlbehalten in Wien an und stiegen im goldenen Lamm auf der Wieden ab. Unser erster Gang war zu Hr. Haupt- kassier Bahör"6. Wir Hessen uns bei Hr. Hofkanz- lei-Chef Seibt melden und erhielten am anderen Morgen nicht allein bei demselben Audienz, son- dern es erschien ganz unverhofft auch Herr Graf W."7 mit Hr. Hampe."" - Graf W. hörte unseren Vortrag an und ging in alle Details ein. Er verab- säumte aber nicht, gleich Anfangs uns alle Schrecken und Folgen einer Spielbank und die ab- solute Unmöglichkeit ihrer Einführung in Liechten- stein vorzustellen. Um so eifriger dagegen malten wir ihm unsere grosse Rheingefahr etc. vor. Nach- mittags gleichen Tages war eine Sitzung anbe- raumt, bei welcher jedoch Herr Seibt nicht Anteil nahm, sondern den Saal verliess, sowie Herr Graf W. und Herr Hampe erschienen. Nachdem Herr Graf von der Petition Einsicht genommen, wurde nochmals bereits 2 Stunden unser Anliegen behan- delt - insbesonders aber eingehend in die Rhein- bausachen eingetreten, so dass die Herren wenig- stens äusserten, dass sie uns vollen Glauben 
schenkten. Von der Bank aber wollten sie nichts wissen und meinten, wir würden von der Bankge- sellschaft selbst noch angeschwindelt und Preus- sen - weniger Österreich - würde das Aufkommen dieses neuen Raubnestes nie gedulden. Es lasse sich ferner, wenn es die Not wirklich erheische, auf andere Art Geld beschaffen. Da wir aber diese Wege, zu so vielem Geld zu kommen, nicht kann- ten, so stellten wir an die Herren die Bitte, uns die- sen Weg zu zeigen. Überhaupt, nach unseren drin- genden und überzeugenden Vorstellungen von der traurigen Zukunft, welcher das Ländchen entge- gengehen muss, glaubten wir, nach allen Anzei- chen auf eine ganz wesentliche Unterstützung un- seres Fürsten uns Hoffnung machen zu dürfen. Der Herr Graf versprach uns, beim Fürsten, der in Eis- grub ist, Audienz zu verschaffen, und schon am an- deren Tage wurde uns telegraphiert, dass uns der Fürst mit Vergnügen empfangen werde. Samstag fuhren wir nach dem in mehr als einer Beziehung mir unvergesslichen Eisgrub. Es war gerade grosse Jagd und herrliches Wetter. Wir hatten noch Zeit, Schloss und Garten anzusehen bis Se. Durchlaucht zurückkam und uns noch Abends 5 Uhr empfing. - Wir wurden wohl gnädig angehört, mussten aber leider uns überzeugen, dass er nicht selbständig zu handeln gesonnen ist, sondern sich auf seine Räte stützt. - Abends trafen wir noch Herrn Banko, der zufällig auch hier Amtsgeschäfte hatte. Heute Sonntag 1 Uhr waren wir schon wieder in Wien zurück und gedenken, morgen nochmals den Herrn Grafen zu 112) Carl von Hausen 113) Damm = Binnendamm 114) Eine ausführliche, 14 Seiten umfassende Berichterstattung des Delegationsleiters Dr. Wilh. Schlegel befindet sich bei den Landtags- akten im LUV 115) FamARh, G 13 116) Joh. Bachör, Landeskassenverwalter in Vaduz, ab 1863 Majo- rats-Hauptkassier in Wien 117) Graf W. = Graf Westphalen, Berater von Fürst Johann U. 118) Dr. Hermann von Hampe, Chef der Hofkanzlei in Wien 189
	        

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.