Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1991) (90)

DIE NATURALLIEFERUNGEN AN DIE VERRÜNDETEN Die dramatische Darstellung der liechtensteini- schen Situation durch Schuppler hatte besondere Gründe: Neben der Stellung von Soldaten war das Fürstentum auch noch zur Lieferung von „Subsi- stenz-Mitteln" zur Armeeverpflegung verpflichtet worden.291 Bereits am 14. Mai 1815, also vor der endgültigen Aufstellung des Kontingents, kam an das Oberamt von der k.k. Militär-Verpflegdirektion des zweiten Armeekorps die Aufforderung, folgen- de Mengen von Verpflegungsmitteln in das Verpfle- gungsmagazin nach Waldshut zu liefern:292 65 Zentner Kochmehl oder Gemüse, 230 Zentner Backmehl, 97 Zentner Fleisch in lebendem Schlachtvieh, 29 Eimer Getränk [Branntwein], 1426 Metzen [1 Wiener Metzen = 61,49 Liter] Ha- ber, 636 Zentner Heu. Die verlangte Verpflegung war in drei Raten, näm- lich am 25. Mai, 31. Mai und 5. Juni 1815 mit je einem Drittel zu liefern.293 Schuppler war in dieser Situation wirklich nicht zu beneiden. Er war eben damit befasst, den Ortsrich- tern die Aufstellung des Kontingents im einzelnen beizubringen, als die Forderung des k.k. zweiten Armeekorps eintraf. Diese neuerliche Lliobsbot- schaft muss auf Schuppler fast schockartig gewirkt haben. Umgehend listete er in einem mehrseitigen Schreiben294, welches er sogar in zwei Entwürfen vorbereitet hatte, ausführlich die Gründe a) - u) auf, warum „das Land ... allenfalls ausser Stande sei, eine so bedeutende Naturallieferung zu erschwin- gen".295 Da von Wien aber noch keine Weisung für eine solche Lieferung eingetroffen war, hatte Schuppler auch keine Veranlassung, der Weisung des k.k. zweiten Armeekorps zu folgen. Allerdings scheint er doch die Bedeutung und Ernsthaftigkeit des Lieferungsauftrags erkannt zu haben. Er ge- stand zu, dass Liechtenstein zwar an „den dermah- ligen Kriegsrüstungen thätigen Antheil nehmen müsse",296 - was es durch die ausserordentlichen Anstrengungen bei der Aufstellung des Kontingents bereits bewiesen habe - aber die verlangten Liefe- rungen zu bestreiten, sei nicht möglich. Schuppler 
erklärte sich sogar bereit, sich „der strengsten un- partheiischen Untersuchung" zu unterwerfen und, was eine solche Untersuchung auferlege, werde das Land „bei ihnen an die Hand gehende Hilfsmittel, in Vollzug bringen."297 Im einzelnen führte Schuppler folgende weitere Argumente gegen eine von Liech- tenstein im verlangten Ausmasse zu leistende Liefe- rung an: Liechtenstein habe bereits 1813/14 grosse Naturallieferungen abgegeben, die schon mehr als 11 000 fl. gekostet hätten.298 Diese geleisteten Men- gen würden für die 80 Mann Infanterie noch auf lange Zeit reichen.299 Ausserdem beschrieb Schup- pler das Land als aus wirtschaftlich grösstenteils nutzloser Fläche wie Gebirge, Alpen oder sumpfi- gem Riet bestehend.300 Die Bevölkerung könne sich deshalb kaum selbst ernähren, sei stark verschul- det, betreibe weder Handel noch Gewerbe und bringe sich nur „eben kümmerlich" durch 
301. Dazu kamen laut Schupplers Bericht noch die Missernten der letzten drei Jahre, deshalb seien auch keine Vorräte mehr vorhanden302. Der nasskalte Som- mer, „in dem es nach jedem Regen bis ins Land herunterschneute, hinderte das Wachsthum des wenigen Weines und Türkenkornes. Wein gab es keinen, und was an Türkenkorn reif werden zu wollen schien, wurde im Spätsommer in den unter- sten Gegenden ganz verhagelt und vernichtet".303 An Kredit sei gar nicht zu denken, da man für kein Darlehen mehr Garantie leisten könne.304 Der Wohlstand sei also „nicht einmal mehr dem Namen nach bekannt".305 Aus all diesen Gründen erwartete Schuppler „von der Gerechtigkeit der allerhöchsten Verbündeten mit trostvoller Zuversicht..., dass diese [Liechten- stein] nicht über seine Möglichkeiten ins Mitleid ziehen werden".306 Der Landvogt scheint allerdings keine allzu grosse Hoffnung auf eine Milderung der Forderungen gehabt zu haben. Er erstattete über die schwierige Situation Bericht nach Wien und gab darin sogar der Befürchtung Ausdruck, es könnte zur Exekution gegen das Land kommen.307 Dann wisse „das Amt und das Land keinen Ausweg, und [müsse] sich alles, was geschieht, gefallen las- sen".308 Die Militärverpflegsdirektion blieb auch, 38
	        

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