Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1991) (90)

EHEDISPENSEN Die gesetzlichen Bestimmungen über die Militär- pflicht legten unter anderem schon 1813 fest, dass für die Auslosung zuerst die Ledigen, erst dann die Verheirateten aufzubieten seien.217 Dieser Grund- satz wurde auch in späteren Vorschriften zur Re- krutierung beibehalten. Im Entwurf von 1837 zum Konskriptionsgesetz wurde ausdrücklich betont, dass die Erfüllung der Konskriptionspflicht die Vor- aussetzung dafür sei, die Verehelichungslizenz zu erhalten.218 Dies hiess, dass für militärtaugliche Männer bis zum 25. Altersjahr die Verheiratung ohne Sonderbewilligung nicht möglich war. Trotz der gesetzlichen Vorschriften ergaben sich Situatio- nen, in denen Ehedispensen erteilt wurden. Es lassen sich im wesentlichen zwei Gruppen von Gesuchen um Ehedispensen unterscheiden. Einer- seits waren es Gesuche wegen zu früh eingetretener „anderer Umstände", andererseits wegen materiel- ler Hintergründe. Zu der ersten Gruppe gehörte etwa das Gesuch des Joseph Marock aus Triesen, der als „unterthänigst treu gehorsamst[er] ... Kontingentsmann" an den Fürsten „in grösster Unterwürfigkeit" die Bitte ein- reichte, sich als Kontingentsmann verehelichen zu dürfen (siehe Anhang S. 275).219 Der Grund für die- se Gesuch kam im Begleitschreiben seines Schwie- gervaters in spe, Joseph Schädler, Wegmeister in Vaduz, zum Vorschein. Dieser bat, die Bewilligung baldmöglichst zu erteilen, da sich seine Tochter mit Joseph Marock „vergangen habe und in gesegneten Umständen sei".220 Die Heirat sollte auch deshalb bewilligt werden, damit „die den Brautleuten be- vorstehende Schmach beseitiget, und auch von ihm als Vater die ihm sowohl als seinem Hause zuge- gangene Kränkung gemindert werde".221 Das Ge- such wurde, versehen mit dem Hinweis „drin- gend",222 mit den üblichen Bedingungen bewilligt. Marock war aber weiterhin militärdienstpflichtig, wenn er sich nicht durch einen tauglichen Ersatz- mann vertreten liess. Ein aus dem gleichen Grunde verfasstes Gesuch richtete der Kontingentsmann Alexander Jehle von Schaan an den Fürsten.223 Jehle hatte bereits fünf 
Dienstjahre hinter sich gebracht, folglich noch ein Jahr zu dienen. Nach eigenen Angaben hatte er während seiner Dienstzeit mit der ledigen Kathari- na Rheinberger Bekanntschaft angeknüpft, „welche im Verlaufe der Zeit so weit gedieh, dass sie ihm in Folge des allzu vertrauten Umganges einen Knaben gebar. Schamroth über diesen Fehltritt und von tie- fer Reue ergriffen sucht[e] er sich und seine Ver- wandtschaft von dieser Mackel wieder möglichst zu reinigen und [warf] sich deshalb in tiefer Ehrfurcht mit der unterthänigsten Bitte zu Euer Durchlaucht Füssen."224 Es gab aber auch ganz andere Gründe, eine Geneh- migung für eine Verehelichung einzuholen. Dies zeigt das Gesuch des Johann Laternser von Vaduz. Laternser war neben fünf jüngeren Schwestern der einzige Sohn der Familie, die in wirtschaftlich schwierigen Verhältnissen lebte. Wegen einer Schuld von 400 Gulden drohte der Verlust des vä- terlichen Anwesens. Um dies zu verhindern, bat Laternser, sich mit der Theodora Marxer aus Nen- deln verehelichen zu dürfen. Diese war bereits im Besitz eines „ihr mütterlicher Seits angefallenen Vermögens von 277 Gulden und 73A Kreuzern".225 Ausserdem konnte die Braut „dereinst muthmass- lich auf eine ziemliche Vermehrung ihres Vermö- gens von väterlicher Seite rechnen",226 so dass durch diesen Eheabschluss die Aussicht bestand, die Schulden zu tilgen, da der Vater das Anwesen seinem Sohne käuflich überlassen wollte.227 Es konnte aber auch sein, dass die Obrigkeit für die Erteilung einer Ehebewilligung ihre besonderen Gründe hatte. Dies war der Fall bei Andreas Schäd- ler aus Vaduz, der 1843 ein Ehegesuch einreich- te.228 Schädler war „aus besonderer Vorliebe für den Waffenstand freiwillig als unobligater Trompe- ter"229 für den Betrag von 370 Gulden auf sechs Jahre eingestanden. Damit verbunden war auch hier ein materieller Hintergrund. Schädler konnte mit dem erhaltenen Geld seinen Vater vor der dro- henden Exekution seines Hauses bewahren. Das Oberamt unterstützte das Gesuch wärmstens, weil es erwartete, dass Schädler nach Ablauf der Mili- tärdienstzeit sich ein weiteres mal verpflichten wer- de. Dies war „bei der Diensteigenschaft des Bittstel- 124
	        

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