Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1991) (89)

gen schenken, wogegen die Gemeinde bereit war, ein neues Schulhaus zu bauen, das nicht nur die Volksschule einschliesslich der Mädchenschule be- herbergen, sondern auch Platz für eine künftige Realschule bieten sollte. Den Gemeindebehörden kam dieses Angebot nicht ungelegen, war doch das alte, aus Holz gebaute Schulhaus zu klein geworden und zudem schon recht baufällig. Da aber Grass nur das Haus Nr. 16 besass, musste er zunächst noch das Haus Nr. 17488 in sein Eigentum bringen. Dieses Haus Nr. 17, der nördliche Teil des neben der Taverne zum «Adler»489 stehenden Doppelhauses, wurde das «Tschofenhaus» ge- nannt.490 Grass konnte es von Franziska Strub, geborene Tschofen, käuflich erwerben. Der Kauf- vertrag ist datiert vom 30. Jänner 18 5 2.491 Der Kaufpreis betrug 1056 fl. Damit konnte nun die Schenkung vollzogen werden. Der Schenkungsver- trag492 wurde am 30. August 1852 von Dr. Grass und dem Gemeindeausschuss von Vaduz unter- zeichnet. Im Eingang des Vertrages wird der Zweck der Schenkung klar formuliert. Es soll nicht nur allge- mein der Unterricht der Jugend gefördert, sondern auch die Gründung einer «höheren Bildungsanstalt» ermöglicht werden. Die beiden geschenkten Häuser sollten als Lehrerwohnungen dienen, während auf dem dazugehörenden Gelände westlich der Land- strasse sofort mit dem Bau des neuen Schulhauses zu beginnen war. Zu den beiden Häusern gehörte je ein «Hausgarten samt Baumwachs» mit 40 Klaftern und ein «Stück Halde ob dem Hause samt Weinreben»493 mit 200 Klaftern. In der Schenkung inbegriffen war «ein halber Gemeindsteil im Mühleholz am Rhein» und «ein halber Gemeindsteil auf dem Ried», die zum Hause Nr. 17 geschrieben waren. Auf diesem Hause hafteten Hypothekarschulden von rund 500 fl, die natürlich von der Gemeinde zu übernehmen waren. Das Haus Nr. 16 war schuldenfrei. Grass behielt sich in dem Haus Nr. 16, in dem er bisher gewohnt hatte, «samt allem Zubehör das lebenslängliche, unendgeldliche Wohnungs- und Nutzungsrecht» vor. Er sicherte sich aber auch noch anderweitig ab. «Sollte er aber früher oder später in 
der vorbehaltenen Wohnung durch Verwendung des Hauses Nr. 17 gestört oder beunruhigt werden, so solle die Gemeinde Vaduz auf sein Verlangen gehalten sein, ihm eine andere angemessene, von ihm selbstgewählte Wohnung auf Gemeindekosten zu verschaffen». Damit konnte der Bau des neuen Schulhauses in Angriff genommen werden. Als Bauplatz dienten die beiden «Hausgärten samt Baumwachs», welche einen Bestandteil der Schenkung von Dr. Grass bildeteten. Sie befanden sich dort, wo heute das neue Postgebäude steht. Von Otto Seger494 erfahren wir: «Baumeister Franz Josef Seger, der auch die Triesner Kirche gebaut hat, erstellt um 2000 Gulden das Schulhaus, das noch heute (1956) in Verwen- dung ist. Es enthielt drei grössere und ein kleineres Lehrzimmer und im Unterstock Wohnung und Küche der Schwestern. Der südseitige Raum im ersten Stock wurde gleich für die Realschule reser- viert». Wer die Pläne für das neue Schulgebäu- de anfertigte, ist nicht bekannt. Wahrscheinlich stammten sie auch von Baumeister Seger. Das Schulhaus wurde in späteren Jahren einmal aufge- stockt und erfüllte dann seinen Zweck, bis es 1973 abgebrochen wurde, um dem neuen Postgebäude Platz zu machen. Mit der Errichtung des Schulhauses war für Ludwig Grass eine wichtige Etappe in seinen Plänen zurück- gelegt. Die ganze Primarschule fand nun in dem neuen Schulgebäude Platz, auch die Mädchenschule wurde nach fast zehn Jahren vom Roten Haus ins Dorf verlegt. Die Schulschwestern fanden ebenfalls im neuen Gebäude eine angemessene Wohnung. 488) Siehe auch oben S. 82. 489) Die ehemalige Taverne zum «Adler» beherbergt heute das I.andesmuseum. 490) Nach dem ehemaligen Besitzer F. J. Tschofen aus Bürs. Siehe auch Tschugmell, Vaduzer Geschlechter, JbL 49. 491) Kaufvertrag vom 30. Januar 1852. Gemeindearchiv Vaduz V 55. 492) Grundbuchamt Vaduz, Urkundenbuch Nr. 58, Fol. 20. 493) Man ersieht daraus, dass im Vaduzer «Städtle» sogar hinter den Häusern am Waldrand noch Reben gepflanzt wurden. 494) Otto Seger, Vaduz, ein Heimatbuch, 1956. 92
	        

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