Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1991) (89)

die Landstände. Doch die Herren hatten sich ge- täuscht. Am 10. Oktober 1861 fand in Vaduz ein ausserordentlicher Landtag statt, in dem der Ver- fassungsplan v. Hausens glatt abgelehnt wurde. Die Begründung war einfach: Der Landtag wollte eine Verfassung, die durch einen frei gewählten Verfas- sungsausschuss erarbeitet werden sollte, und er wählte diesen auch gleich.321 Der Ausschuss zählte 8 Mitglieder, welche dann aus ihren eigenen Reihen und aus einigen nicht ständischen Vertrauensmän- nern ein «Subkomitee» zur raschen Beratung der Verfassung wählten. Das Subkomitee bestand aus: Dr. med. Karl Schädler, Vaduz, Christoph Wanger, Schaan, und Kurat Jos. Anton Wolfinger, Vaduz, als Präsident.322 Sowohl Schädler als auch Wanger hatten schon dem Verfassungsrat der Jahre 1848/49 angehört und waren an der Ausarbeitung der damaligen Verfas- sungsentwürfe wohl am meisten beteiligt. Sie waren beide auch schon Mitglieder des ersten Landrates von 1849 gewesen und kannten die Materie durch und durch.323 Aber auch Wolfinger war kein Neuling in Verfassungsfragen.324 Das Subkomitee griff denn auch grösstenteils auf den Verfassungsentwurf von 1848 zurück und unterwarf den Regierungsentwurf entscheidenden Änderungen. Sie fügten Bestimmungen namentlich über die Volksrechte, über die Landesverwaltung und die Rechtspflege hinzu, aber auch solche, die den Fürsten betrafen. War schon der Entwurf von 1849 gemässigter ausgefallen, als jener des Sommers 1848, so wurde im neuesten Entwurf von 1861 die Stellung des Fürsten nochmals wesentlich gestärkt; dem Fürsten sollte die höchste Staatsgewalt allein und nicht mehr mit dem Volk geteilt zufallen.325 Auch wurde dem Fürsten das absolute Veto zugesprochen. Es wurde aber eine entscheidende Mitwirkung der Volksver- tretung in der Gesetzgebung, bei Staatsverträgen und bei der Militäraushebung im Grundgesetzent- wurf verankert. Der Volksvertretung sollte auch das Recht der Gesetzesinitiative, das Budgetrecht sowie die Kontrolle des Haushaltes und der Staatsverwal- tung zustehen.326 Die Abgeordneten sollten in indi- rekter Wahl bestellt werden, während der Präsident 
des Parlamentes von diesem selbst gewählt und nicht vom Fürsten ernannt werden sollte. Der Landesverweser als Chef der dem Parlament verant- wortlichen Regierung sollte vom Fürsten ernannt werden. Die Hofkanzlei sollte als Verbindungsstelle zum Fürsten ausgeschaltet werden. Nach Fertigstellung des Entwurfs des Subkomitees, «an dem Karl Schädler die Hauptarbeit geleistet» hatte,327 wurde er dem Plenum des Ausschusses vorgelegt. Das Ausmass der Beteiligung Karl Schäd- lers am Entwurf geht auch aus der Aufschrift auf dem zeitgenössischen Umschlag hervor: «1er Ent- wurf der Verfassung ausgearbeitet vom dem Lan- desphysikus Dr. Schädler zu Vadutz und zur Bera- tung dem Landtagsausschuss vorgelegt im Monath November 1861».328 Erst nachdem dann der Verfassungsentwurf des Subkomitees noch durch einen Rechtsgelehrten329 überarbeitet worden war, der jedoch inhaltlich und in manchem wörtlich330 den Entwurf des Subkomi- tees zur Grundlage nahm, wurde er am 22. Dezem- ber 1861 vom Landtag abschliessend behandelt und angenommen. Gegenüber dem ersten Entwurf des Subkomitees enthielt die endgültige Fassung einige Zusätze, die generell den Gedanken fixierten, dass nichts Wichtiges im Staate ohne Zustimmung der Volksvertretung geschehen dürfe. Am 29. Dezember 1861 sandte von Hausen den Entwurf, den er selbst positiv beurteilte, an den Fürsten und bat diesen eindringlichst, ihn anzuneh- men.331 Der neue Entwurf war gewiss eine Heraus- forderung und in eingehenden Beratungen, zu denen der Fürst die Herren v. Linde und v. Hausen nach Wien berufen hatte, versuchte vor allem v. Linde, das Rad zurückzudrehen, während v. Hausen eher dazu neigte, den fortschrittlichen Forderungen der Landstände zu entsprechen. Es folgte ein Hin und Her zwischen den Beauftragten des Fürsten und den Vertretern des Volkes, das bis in den Sommer des Jahres 1862 dauerte. Dabei drehte es sich immer um die beiden Kardinalpunkte: V. Linde wollte die Rechte des Fürsten möglichst wenig geschmälert sehen, während die Landstände die Volksrechte verstärkt in die Verfassung einbringen wollten. 68
	        

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