Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1991) (89)

LIECHTENSTEINER ÄRZTE DES 19. JAHRHUNDERTS RUDOLF RHEINBERGER zenbergs zum Negativen verändert. Die Gefahr einer totalen Isolierung und schliesslichen Mediatisierung durch Österreich stand drohend bevor. Für Karl Schädler waren die Grundlagen seines Verhaltens in der Paulskirche zusammengebrochen. Der Verlust der Selbständigkeit Liechtensteins schien nicht mehr abwendbar zu sein. In dieser Situation schrieb Schädler an Landesverweser Menzinger und teilte ihm seine Überlegungen und geheimen Befürchtun- gen am 9. März mit274: «In Beachtung der Verhält- nisse wie sie sind, und wie sie voraussichtlich kommen müssen, verfolgt mich seit einiger Zeit eine quälende Frage: sollen wir nicht jetzt, wo es (noch) Zeit ist und leicht gienge, selbstthätig auf Mediatisie- rung dringen, oder sollen wir uns passiv am Schlepptau der Ereignisse durch diese früher oder später mediatisieren lassen?» Schon Peter Kaiser hatte in einem Brief275 an Menzinger am 2. Juli 1848 ähnliche Gedanken geäussert: «Würde unser Länd- lein in Verwaltungs- oder Gerichtssachen zu einem Nachbarstaat geschlagen, so wäre es besser, die Selbständigkeit gänzlich aufzugeben. Ich würde es zwar in mancher Hinsicht bedauern; aber wenn das Ländlein nichts Eigentümliches hat, wenn es im österreichischen System mitziehen muss, ist es dann nicht besser, es sei ganz österreichisch?» Man merkt aus den Briefen Kaisers und Schädlers, wie schwer ihnen die Verantwortung auf den Schultern lag. Leider kennen wir die Antwort Menzingers auf Schädlers Brief nicht. Doch wurde Schädler die Entscheidung, die er als Vertreter des ganzen liechtensteinischen Volkes treffen sollte, durch den raschen Verlauf der Dinge abgenommen. Die «Kleindeutsche Partei» unter dem früheren Parlamentspräsidenten Heinrich von Gagern siegte über die «Grossdeutschen» unter der Führung Österreichs. Am 28. März 1849 wurde König Fried- rich Wilhelm IV. von Preussen mit 290276 Stimmen zum deutschen Kaiser gewählt. Zugleich wurde die Reichsverfassung abgeschlossen. Jedoch Fried- rich Wilhelm IV. lehnte die ihm zugedachte Würde ab. Auch wurde die am 11. April 1849 mit Mehr- heit beschlossene277 Verbindlichkeitserklärung der Reichsverfassung von den wichtigsten Staaten wie 
Österreich, Preussen, Bayern, Württemberg und Sachsen nicht anerkannt, wodurch die Tätigkeit der Nationalversammlung lahmgelegt wurde. Es gab keine Einigung unter den massgebenden Staaten, und der Rückberufung ihrer Abgeordneten aus Frankfurt durch Preussen und Österreich folgten auch andere Staaten. Auch Karl Schädler verliess Frankfurt anfangs Mai 1849, nachdem er am 30. April zum letzten Mal an einer namentlichen Abstimmung in der Paulskirche teilgenommen hatte.278 Er hatte in Frankfurt ein ungewöhnliches Mass an politischer Begabung an den Tag gelegt. Ungewöhnlich war aber auch das Mass an Arbeit, das Schädler in Frankfurt zu bewältigen hatte. Trotzdem fand er noch Zeit zur regelmässigen Berichterstattung an Landesverweser Menzinger. Es scheint aber, dass seine Familie mit Nachrichten aus seiner Hand nicht verwöhnt wurde. Dies ist vor allem einem Brief vom 9. März 1849 an Menzinger zu entnehmen, in dem er schreibt: «Ich danke Ihnen für Ihre gefällige Mitteilung von meiner Familie, der ich nun mittlerweile geschrieben habe . . . »279 Die mit so grossen Hoffnungen ein Jahr zuvor eröffnete deutsche Nationalversammlung endete ruhmlos als «Rumpfparlament» am 18. Juni 1849 in Stuttgart. Die Revolution von 1848 war in ihren wesentlichen Zielen gescheitert. Es bedurfte des massiven Druckes Russlands, damit sich Preussen und Österreich wieder einigten. Preussen musste nachgeben und durch den Vertrag von Olmütz im November 1850 wurde der Deutsche Bund mit dem Gesandtentag in Frankfurt unter österreichischem Präsidium wiederhergestellt. 272) Geiger, S. 145. 273) Karl Schädler an Menzinger, 9. März 1849, LLA RC 100/4. 274) Karl Schädler an Menzinger, 9. März 1849, LLA RC 100/4. 275) Peter Kaiser an Menzinger, 2. Juli 1848, LLA Peter Kaiser- Akten. 276) 248 Abgeordnete, unter ihnen Karl Schädler, übten Stimment- haltung. Geiger, S. 152, Anm. 129. 277) Karl Schädler stimmte dagegen. Geiger, S. 152, Anm. 131. 278) Geiger, S. 154, Anm. 137. 279) Schädler an Menzinger, 9. März 1849, LLA RC 100/4. 61
	        

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