Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1991) (89)

musste in Liechtenstein selbst Karl Schädler als Vertreter der Ausschüsse und somit als Führer der fortschrittlichen Kräfte die Hauptlast der Arbeit auf sich nehmen. Zunächst mochte wohl niemand ahnen, dass dies auch nach der Rückkehr Kaisers aus Frankfurt so bleiben würde. Der Fürst hatte die Erfüllung der wichtigsten Forde- rungen der Ausschüsse zugesagt. Dafür wurde ihm in einer von Dr. Karl Schädler und Dr. Grass verfas- sten Adresse der Dank der Ausschüsse ausgespro- chen.238 Alois IL ordnete nun zur Beratung der Verfassung die Wahl eines fünfköpfigen Verfassungsausschus- ses an.239 Durch 22 Wahlmänner wurde dieser Verfassungsrat am 27. Juli 1848 gewählt. Ihm gehörten an: Dr. Karl Schädler, Tierarzt Christoph Wanger, der Balzner Vorsteher Joh. Ferd. Wolfin- ger und die Lehrer Joh. Bapt. Vogt von Balzers und Joh. Jak. Goop von Eschen. Damit war die vom Fürsten gesetzte Zahl von 5 Vertrauensmännern voll. Da aber die 22 Wahlmänner auch noch den Vaduzer Arzt Dr. Ludwig Grass dabei haben woll- ten, bestellten sie ihn als beratendes Mitglied in die Kommission,240 eine Wahl, die auch Menzinger willkommen sein mochte, war doch der ihm be- freundete Grass eine konziliante und eher zum Ausgleich neigende Natur. Als Vertreter des Für- sten wirkte Landesverweser241 Menzinger mit. Zum Präsidenten bestimmte sich der Verfassungsaus- schuss Dr. Karl Schädler, der im Gremium «gerade- zu den Platz eines Stellvertreters von Peter Kaiser» einnahm.242 Als erweiterter Verfassungsrat, der als Vertretung der Gemeinden angesehen wurde, sollten die 22 Wahlmänner fungieren. Die Arbeit wurde so- gleich am 27. Juli aufgenommen. Als Grundlage der Beratungen diente den gewählten Verfassungsräten ein vollständiger Verfassungsentwurf Peter Kai- sers,243 den dieser während seines Frankfurter Aufenthaltes zu Papier gebracht hatte. Aber auch Karl Schädler hatte einen Teilentwurf verfasst.244 Im Verlaufe eines Monats wurde in 11 Sitzungen vom 27. Juli bis 26. August das ganze Verfassungs- werk durchberaten - eine Riesenarbeit!245 Natürlich gab es in den Verhandlungen laufend Kontroversen 
zwischen dem konservativen Landesverweser ei- nerseits und den liberalen (übrigen) Vertrauens- männern des Volkes andererseits, denn Peter Kai- sers Entwurf konnte in vielen Teilen die Zustim- mung Menzingers nicht finden. Trotzdem wurde die Vorlage Kaisers durch die Kompromissbereitschaft Menzingers «in grossen Teilen übernommen».246 Die Hauptlast des zu erarbeitenden Verfassungsent- wurfes lag bei Menzinger und Karl Schädler. Die Mehrzahl der Artikel «dürfte auf formulierte Anträ- ge Karl Schädlers zurückgehen».247 Es ist erstaun- lich, wie der juristisch nicht vorgebildete Arzt Karl Schädler diese Aufgabe meisterte. Es war dies nur auf der Grundlage seiner breiten geschichtlichen und philosophischen Vorbildung in Wien, sowie den früheren Kontakten mit liberalen Gesinnungsgenos- sen in der Schweiz möglich. Nachdem Ende August der Verfassungsentwurf fertiggestellt war, übernahm Menzinger die Schluss- redaktion, während Dr. Schädler eine provisorische Wahlordnung für die Bestellung der Abgeordneten für das erste Parlament, den «Landrat» ausarbeite- te.248 Der Verfassungsentwurf umfasste zur Haupt- sache folgende Punkte249: Konstitutionelle Regie- rungsform, gleiche Rechte und Pflichten jedes Bür- gers gegenüber dem Staat, öffentliche Darlegung der Staats- und Gemeindehaushalte, Öffentlichkeit der Parlamentsverhandlungen und der Gerichtsverfah- ren, Pressefreiheit, Vereinsrecht, Petitionsrecht, He- bung des Schulwesens, Aufhebung der Frohnden und Feudallasten sowie Ablösung der Zehnten. Die liechtensteinische Geistlichkeit sollte in ihren Rech- ten gleichgestellt mit den übrigen Geistlichen des Bistums Chur sein. So konnte der Verfassungsentwurf anfangs Oktober 1848 mit einem Bericht des Verfassungsausschus- ses dem Fürsten zugestellt werden.250 Menzinger legte noch einen separaten Bericht nach Wien bei, in dem er seine Meinung über diejenigen Punkte des Entwurfes darlegte, mit denen er nicht einverstan- den sein konnte. Dies geschah ohne Wissen der Ausschussmitglieder, die durch das Doppelspiel in der Meinung belassen wurden, Menzinger habe auch gegenüber dem Fürsten den Entwurf gebil- ligt.251 56
	        

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