Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1991) (89)

FÜRST FRANZ JOSEF II. 1906-1989 t GEORG MALIN Nach den grossen Verlusten, welche die beiden Weltkriege dem fürstlichen Vermögen in der Tsche- choslowakei verursacht hatten und nach wenig glücklichen Investitionen in verschiedene Betriebe war die fürstliche Verwaltung gezwungen, zur Dek- kung laufender Verpflichtungen wertvolle Bestände aus den Sammlungen des Fürsten zu veräussern. Liechtenstein, das Haus und der Staat, kamen in den Geruch, den Ausverkauf europäischen Kultur- gutes massiv zu betreiben. Die Reaktionen in den internationalen Medien waren für Liechtenstein wenig vorteilhaft. In der Tat wurden Werke von Leonardo da Vinci (1452-1519), Rembrandt (1606- 1669), Frans Hals (1580-1660), Chardin (1699- 1779) und anderen verkauft, meistens nach Ameri- ka und später nach Deutschland. Gleichzeitig be- gann man in bescheidenen und eilends herge- richteten Räumen im Engländerbau in Vaduz in den Jahren nach 1952 Objekte und Bilder aus den Sammlungen des Fürsten von Liechtenstein aus- zustellen. Alsbald übernahm die 1968 gegründete Liechtensteinische Staatliche Kunstsammlung die Führung und Betreuung der Ausstellungen mit Leihgaben der Fürstlichen Sammlungen. Dank der Grosszügigkeit des Leihgebers und der guten Zu- sammenarbeit mit den Fürstlichen Sammlungen konnte eine Reihe von Ausstellungen gezeigt wer- den, die den Beifall der Kunstfreunde und Touristen fanden. Doch die bescheidenen Räume des provi- sorischen Ausstellungsgebäudes genügten nicht, um einen halbwegs repräsentativen Querschnitt der Sammlung in Vaduz zeigen zu können. Um dem negativen Erscheinungsbild, welches die Verkaufs- politik der Fürstlichen Sammlungen verursacht hatte, entgegenzuwirken und um dem liechtenstei- nischen Staat ein weithin erkennbares Zeichen der' Einheit von Fürst und Land zu geben, plante man den Bau eines Kunsthauses in Vaduz . Der Fürst erklärte sich 1969 bereit - und wiederholte dies 1979 - einen Querschnitt seiner Sammlungen als Dauerleihgabe zur Verfügung zu stellen, wenn die notwendigen baulichen Vorkehrungen seitens der Öffentlichkeit erbracht würden. Die Gemeinde Vaduz stieg nach eingehenden Studien zur Zen- trumsplanung ins Projekt ein, stellte in zentraler 
Lage Baugrund im Baurecht zur Verfügung und beteiligte sich zu 40 % an den Baukosten. Land und Gemeinde Vaduz wollten gemeinsam die Folgeko- sten bestreiten. Der Staat selbst hätte über die Staatliche Kunstsammlung Bestände zur Kunst des 20. Jahrhunderts eingebracht. Tradition und Ge- genwart sollten als Zwiegespann Zukünftigem ent- gegensteuern. Projekte und Kredite wurden in Volksabstimmungen genehmigt. Das Vorhaben aber kam in Vaduz zu Fall. Man wies die Hand, die das Beste anbot, was sie geben konnte, ab. Der Fürst war stets darauf bedacht, der Wohlhaben- heit, die in Liechtenstein sich abzuzeichnen begann, einen geistig-kulturellen Überbau zu geben. So wurden während seiner Regierungszeit eine Reihe kulturell tätiger Institutionen geschaffen: die Lan- desbibliothek, das Landesmuseum, die Musikschu- le, die Staatliche Kunstsammlung. Den Aktivitäten des Historischen Vereins schenkte der Fürst grosse Aufmerksamkeit im Wissen, dass Liechtenstein als Staat vor allem aus seiner Geschichte erklärt und verstanden werden muss. Diese Einsicht dokumen- tierte er, wenn immer möglich, durch den Besuch der Jahresversammlungen und durch materielle Unterstützung der Vereinstätigkeit. DIE PERSÖNLICHKEIT Ich lernte das Gesicht des Fürsten während zwanzig Sitzungen zu einer Porträtbüste kennen und aus- wendig lernen. Nach der Naturstudie entstanden in der Folge in freier Gestaltung je eine Porträtplastik in Bronze und in Balzner Marmor. Das Gesicht des Fürsten war variabel wie ein Tagesablauf, aber immer interessant. Er konnte während den Sitzun- gen oft lange Zeit schweigen. Plötzlich sprach er, durch irgend etwas angeregt, sehr engagiert und äusserst bestimmt. Trotz des apodiktischen Vor- trags war er bereit, zuzuhören und bisweilen seine Meinung radikal zu ändern, wenn ihn die Einsicht dazu bewog. In seinem Gesicht war eine lange und bewusste Vergangenheit Form geworden. Die Form oszillier- te je nach der Umwelt und seiner inneren Verfas- 15
	        

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