Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1991) (89)

wiederholt auf die Einführung des Frauenstimm- und -Wahlrechtes. Seine besondere Aufmerksam- keit galt dem Spektrum des Bildungswesens in seiner ganzen Breite. Er erkannte darin eine her- vorragende Möglichkeit, die Zukunft zu gestalten. Ob all der diversen Aufgabenbereiche vergass der Fürst nicht die Tatsache, dass die besten Gesetze und die wirksamsten Konzepte ohne die Zustim- mung der Basis nur allzu schnell zur Makulatur werden. Der Fürst unterstrich die Nähe zu seinem Volk durch private Gespräche und organisierte Besuche in den einzelnen Gemeinden. Solche Unter- nehmungen schufen Zustimmung und Vertrauen, die zur Durchsetzung und Verwirklichung politi- scher Einsichten absolut notwendig sind. Der Fürst verlor sich in öffentlichen Belangen nicht in Einzelheiten, verwickelte sich nicht in Aus- einandersetzungen von Interessengruppen, bezog meistens nicht Stellung, bevor das Problem dis- kutiert worden war, so dass seine Vermittlerrolle glaubwürdig war und die Integrationsaufgabe immer gewährleistet blieb. Seine lauteren Absich- ten und seine Stellung führten den Parteienstreit meistens zu fruchtbaren Kompromissen. Was die Aussenpolitik betrifft, so nahmen die Beziehungen zur Schweiz die erste Priorität ein. Staatsbesuche des Fürsten in Bern, die Besuche von Bundesräten in Vaduz, die Eröffnung der Gesandt- schaft in Bern (1944) markieren unter anderem den Stellenwert, den der Fürst den Beziehungen zur Schweiz beigemessen hat. Der Fürst sah klar, dass die engen vertraglichen Bindungen mit der Schweiz, wie sie im Zollvertrag festgeschrieben sind, Liech- tenstein während des Zweiten Weltkrieges das Überleben ermöglicht haben. So dankte der Fürst anlässlich des fünfzigjährigen Bestehens des Zoll- vertrages der Schweiz, «dem Volk und den Be- hörden», für die freundliche Nachbarschaft; und 1982 bezeichnete der Fürst die Schweiz als «unseren grossen und aufrichtigen Freund». Die Beziehungen zum zweiten Nachbarn Liech- tensteins, zu Österreich, wurden ausgebaut und gepflegt. Staatsbesuche in Wien und Gegenbesuche der politischen Repräsentanten Österreichs in Liech- tenstein unterstrichen die herzlichen Beziehungen. 
Der Besuch des jüngst verstorbenen Alt-Bundes- kanzlers Dr. Bruno Kreisky in Vaduz (1975) ent- wickelte sich zu einem Höhepunkt diplomatischer Courtoisie. Die Besuche des Fürsten beim französischen Staats- präsidenten Charles de Gaulle, die Visiten in Bonn und die Begegnung mit dem amerikanischen Präsi- denten Ronald Reagan in Washington sind als Dienst am Staat und seiner Selbstdarstellung zu verstehen. Die Beziehungen zum Vatikan baute der Fürst zielstrebig aus. Seine kirchliche Treue gab den Besuchen eine besondere Note. Die Päpste Pius XII., Johannes XXIII., Johannes Paul L, Paul VI. und Johannes Paul II. empfingen den Fürsten und seine Begleitung im Vatikan. Der Pastoralbesuch von Johannes Paul II. in Liechtenstein (1985) wurde im Leben des Fürsten ein ausserordentliches Ereignis. Der Beitritt Liechtensteins zum Internationalen Ge- richtshof, die Assoziation mit der EFTA, die Mitglied- schaft im Europarat, die aktive Beteiligung am KSZE-Prozess, die Vorbereitungen zum UNO-Beitritt Liechtensteins, die ersten Annäherungen an die EG und die Abschlüsse zahlreicher multilateraler Ver- träge geschahen in seiner Begleitung und unter seiner mit-denkenden Billigung. Bei der Gestaltung der Innen- und Aussenpolitik arbeiteten während der langen Regierungszeit von Fürst Franz Josef II. sechs Regierungschefs mit dem Staatsoberhaupt zusammen: Dr. Josef Hoop, Dr. h.c. Alexander Frick, Dr. Gerard Batliner, Dr. Alfred Hübe, Dr. Walter Kieber und Hans Brunhart. Die Verschiedenheit dieser Männer in ihrer Art, in ihren Zielsetzungen und Programmen gaben auch dem Wirken des Fürsten reiches Profil. Die Regierungs- chefs bewiesen diplomatisches Geschick, Durchset- zungsvermögen und visionäre Kraft, Problembe- wusstsein und politisches Stehvermögen. DER GEISTIG-KULTURELLE ÜRERRAU DES STAATES Eigenart und Profil des Fürsten können eindrucks- voll an den Ereignissen um das gescheiterte Kunst- haus Vaduz nachgezeichnet werden. 14
	        

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