Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1991) (89)

FÜRST FRANZ JOSEF II. 1906-1989 t GEORG MALIN Begriff «erster Bürger von Liechtenstein» machen mögen und welche Inhalte ihm eignen, der Ernst des Anlasses, an dem sie (meines Wissens) erstmals durch einen regierenden Fürsten verwendet wurden und die Tatsache, dass der Terminus von Abgeord- neten und Regierungsvertretern nachher aufgegrif- fen wurde, lässt vermuten, dass in der Feierstunde vom Pfingstmontag, dem 29. Mai 1939, Perspekti- ven verfassungsrechtlicher Entwicklungen in Liech- tenstein ihren Ursprung und Ansatz haben. Ereig- nisse aber, wie die Huldigung auf der Schlosswiese vom 29. Mai 1939 sind nicht wiederholbar. Die Nazipropaganda mit ihrer organisierten Begeiste- rung machte an unsern Grenzen nicht Halt. Das grossdeutsche Radio übertrug jeweils die wüsten Feiern, und man hörte Marschmusik, begleitet vom dumpfen Lederklang tausendfach klatschender Marschschritte. Die weltpolitische Lage verdüsterte sich. Die kaum überwundene Wirtschaftskrise der Dreissiger-Jahre wirkte nach. Still begann auch in Liechtenstein Opportunismus die staatliche Identität auszuhöhlen. Die Angst vor dem Länder und Völker verzehrenden Nationalsozialismus ging um. Es be- stand die Gefahr kalter Gleichschaltung mit Gross- deutschland. All das trieb die Liechtensteiner zu- sammen. Auf der Schwurwiese beim Schloss schoss wie eine Stichflamme ein patriotischer Selbsterhal- tungstrieb hoch. Und alle schworen. Eine weitere Facette in der Mobilisierung vaterlän- discher und staatserhaltender Kräfte war die Zuhil- fenahme geistiger und religiöser Ressourcen. Der Fürst selbst war ein tief frommer Mann. Der liechtensteinische Klerus leistete an der geistigen Abwehrfront gegenüber dem Faschismus und Na- tionalsozialismus nicht zu unterschätzende Dienste. Am Ostermontag 1940 weihte das Staatsoberhaupt in der Marienkapelle auf Dux in Schaan in «schwe- rer, gefahrvoller Zeit» sich selbst, sein Haus, sein Land und das Volk dem Schutz der Gottesmutter Maria. Im vierzigsten Jahr seiner Regierungszeit wiederholte der Fürst am 8. September 1978 jene Weihe, und als Papst Johannes Paul II. bei seinem Pastoralbesuch am 8. September 1985 auf Dux mit der liechtensteinischen Jugend zusammentraf, nahm er in seinem Weihegebet Bezug auf die 
Gebete des Fürsten. Eine geistig-religiöse Kon- tinuität unverwechselbarer Art. Dies verdeutlicht auch die jüngste Wiederholung des Weiherituals durch den Regierenden Fürsten Hans-Adam IL, am 15. August 1990. Die religiöse Dimension des fürstlichen Patriotismus verhinderte nicht, kühle realpolitische Unterneh- mungen anzugehen und durchzuführen. Im Sinne einer ausgewogenen Neutralitätspolitik, die vor allem vom damaligen Regierungschef Dr. Josef Hoop gefördert wurde, stattete Fürst Franz Josef IL am 2. März 1939 Adolf Hitler in der Reichskanzlei in Berlin einen Besuch ab. Der Fürst und seine liechtensteinische Begleitung wurden mit militäri- schen Ehrenbezeugungen im Ehrenhof der Neuen Reichskanzlei empfangen. Kranzniederlegung Unter den Linden, Besuch beim Reichsminister für Auswärtiges von Ribbentrop und Reichsminister des Innern Dr. Frick. Die unmittelbaren Auswirkun- gen des Besuches in der Reichskanzlei sind noch nicht genau auszumachen. Der Fürst äusserte sich in grosser zeitlicher Distanz zum Besuch verächtlich über den «Psychopathen Hitler». Die beiden hatten sich vermutlich wenig zu sagen: der Fürst, ein junger, scheuer und schweigsamer Mann, dem die Worte nicht leicht von den Lippen flössen, be- gegnete einem machthungrigen Tyrannen, für den Liechtenstein ein machtpolitisches Federgewicht sein musste. Schaden dürfte der Besuch aber kaum gestiftet haben. Im Gegenteil, der Fürst erhielt die Ehrenbezeugungen eines Staatsoberhauptes, eine Tatsache, die auf schwankende Patrioten an der Heimatfront Eindruck gemacht haben dürfte. Die schweizerische Diplomatie fühlte sich aber über- gangen, weil der Besuch ohne den schweizerischen Botschafter in Berlin zustande kam, der doch die liechtensteinischen Interessen in Deutschland zu vertreten hatte. Auch im Innern setzte sich der Fürst mit Geschick und Glaubwürdigkeit zur Bereinigung politischer Streitigkeiten unter den Parteien ein. In Liechten- stein wählte man nach dem Majorzsystem. Im Zeitalter wirtschaftlicher Bedrängnis und akuter Arbeitslosigkeit wurde die Parteizugehörigkeit in der öffentlichen Arbeitsvergabe und bei Beam- 11
	        

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