Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1990) (88)

RECHENSCHAFTSBERICHT DES LANDESVERWESERS CARL VON IN DER MAUR Für das Jahr 1890 ist in 3 Quartalen schon ein Antheil an Zollgeldern im Betrage von 39 687 sicher- gestellt, der Gesammtbetrag dürfte daher jenem von 1889 mindestens gleichkommen. Die Steigerung der Einnahmen seit 1888 ist auf die vertragsmässige Herabsetzung des Liechtenstein angerechneten jährlichen Verwaltungspauschales von 25% auf 17% zurückzuführen. Gegenüber diesen Zolleinnahmen verschwinden selbstverständlich die Einnahmen aus Steuern und sonstigen Abgaben. Die bezügliche Leistung betrug nach der 1889er Landesrechnung: In der Kategorie Grundsteuer Gewerbesteuer Klassensteuer Salzaufschlagsteuer Hundesteuer Taxen und Stempel Summe 
Betrag in Gulden 4768 3989 871 3 945 381 5970 19924 Das zur Grundsteuer (Boden- und Gebäudesteuer) herangezogene sogenannte Steuerkapital beträgt gegenwärtig 476 803 fl und entspricht etwa dem 20. Theile des wirklichen Bodenwerthes, welcher sohin rund 10 Millionen Gulden betragen würde. Es ist unverkennbar, dass die dermalige staatliche Besteuerung manche Ungleichheit aufweist und dass die einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen einer Verbesserung fähig wären. Diese Mängel fal- len aber bei der Geringfügigkeit der erhobenen Steuer und gegenüber der Schwierigkeit, steuerge- setzliche Bestimmungen zu treffen, welche alle Thei- le befriedigen, nur wenig ins Gewicht. So erfreulich das Bild der Finanzverhältnisse des Staatswesens zu sein scheint, so darf doch nicht übersehen werden, dass die Medaille auch ihre Kehrseite hat. Die Absperrung durch Zollschranken wirkt natur- gemäß unmittelbar an der Zollgrenze viel empfind- licher als in weiter Entfernung von derselben und wenn der Bevölkerung täglich und stündlich zu Be- wußtsein gebracht wird, dass unmittelbar jenseits der Zollgrenze die Preise der wichtigsten und unent- behrlichsten Lebensmittel um 50% niedriger ste-hen, 
alle Lebensbedingungen, Produktions- und Er- werbsverhältnisse viel günstiger liegen, Handel und Verkehr einen namhaften Aufschwung nehmen, so wird es erklärlich, dass Stimmen laut werden, wel- che in den Zollverhältnissen geradezu ein Hinderniß für die Entwicklung des Wohlstandes der Bevölke- rung erblicken wollen und die Ansicht vertreten, dass es eben der Zollvertrag sei, welcher die Bevöl- kerung auf indirekte Weise über ihre Kräfte belaste und die Bildung einer angemessenen Anzahl kleiner Vermögen sowie die Entwicklung der Gütererzeu- gung hemme. Ist die hier herrschende abnorme Theuerung wohl zum Theile auf die bestehenden Zollschranken zurückzuführen, so sind die Zollver- hältnisse doch nicht die alleinige Ursache der Theuerung; diese wird auch hervorgerufen durch die ungeordneten Währungsverhältnisse,7 bezie- hungsweise dadurch, dass der österreichische Gul- den hier an der Grenze eine viel geringere Kaufkraft hat als im österreichischen Binnenlande, dass es hier an einem soliden Unternehmungsgeiste und an einer reellen Conkurrenz fast gänzlich mangelt, dass die Krämer die Waaren oft aus dritter und vierter Hand beziehen und hiebei doch noch einen ansehn- lichen Gewinn herausschlagen wollen u.a.m. Der nachtheilige Einfluß der Zollschranken macht sich übrigens noch mehr nach der ethischen als nach der materiellen Seite geltend. Wie überall an den Zollgrenzen blüht auch hier, trotzdem etwa 50 Finanzwachleute ständig im Lande stationirt sind, ein unausrottbarer Schmuggel, welcher höchst demoralisirend auf die Bevölkerung einwirkt; die hier herrschende Unaufrichtigkeit und Hinterhältig- keit ist wohl zum großen Theile dem seit vier Dezen- nien betriebenen Schmuggel zuzuschreiben. Trotz aller dieser Nachtheile ist der Zollvertrag, wie die 7) Das österreichische Papiergeld war an der Grenze weniger Wert als im Landesinneren. Silbergeld entwertete sich im Vergleich zu einer Goldwährung (Schweizer Franken) rascher. Aus diesen Wäh- rungsproblemen entwickelte sich der Wunsch nach einer Währung, die an das Gold gebunden war. Die Unterländer waren mit einer Goldwährung nicht einverstanden, was 1877 zu den Münzwirren und schliesslich zur Bildung zweier Wahlkreise geführt hatte. Die Wäh- rungsprobleme blieben. 57
	        

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