Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1990) (88)

ENTGEGENKOMMEN DER SCHWEIZ BEZIEHUNGEN ZU DEUTSCHLAND Die Schweiz, die den Parteienausgleich begrüsste, begann den kleinen Nachbarn zu pflegen.'28 Der Bundesrat ermässigte den Zinssatz für alte liechten- steinische Anleihen.'29 Im Mai erhielt Liechtenstein die Erlaubnis, 150 Bauarbeiter in die Schweiz zu schicken; bei der Verwirklichung gab es aber Schwierigkeiten. Nach Verhandlungen über eine liechtensteinische Wunschliste sagte die Schweiz im Oktober die Gleichstellung für liechtensteinische Ar- beiter, Produkte und Gewerbetätigkeit zu. Die Reali- sierung zog sich allerdings hin.1™ Die Sudetenkrise im September, die zeitweilig einen Krieg fürchten Hess, hatte weiteren Mittelabfluss im Lande zur Folge. Illiquidität drohte wieder, die Re- gierung hatte kein Geld mehr. Nun gewährte der Bundesrat einen Kredit von 2 Millionen Franken, verstanden als Zollvorschuss. Die von Bundesrat Meyer und Regierungschef Hoop unterzeichnete Vereinbarung vom 21. Dezember 1938 sah vor (Art. 10), dass Liechtenstein das Recht zur Kündi- gung des Zollvertrages unbenommen bleibe, voraus- gesetzt, dass zuvor der Vorschuss gänzlich zurück- gezahlt wäre.1" Liechtenstein war finanziell ins eid- genössische Lager eingebunden. Über eine liechten- steinische Neutralität oder gar einen militärischen Schutz durch die Schweiz wurde nicht mehr gespro- chen. Indessen wünschte die Schweiz schon 1938, das liechtensteinische Ellhorn in die Festung Sar- gans einzubeziehen. Die liechtensteinische Regie- rung zog die Frage hin, was die schweizerische Seite bis nach dem Krieg, als das Ellhorn schliesslich abgetauscht wurde, verübelte.132 
Mit dem neuen deutschen Nachbarn waren die Be- ziehungen von heiklerer Natur. Die früher mit Öster- reich getroffenen Abmachungen hielt man aufrecht. Die Richter aus Feldkirch, die Österreich dem Land zur Verfügung gestellt,133 amtierten nun plötzlich als approbierte «deutsche Richter» im Fürstentum. Ein- zelne davon wurden in Vorarlberg «pensioniert» und durch genehmere ersetzt. Der deutsche Reichs- justizminister Gürtner gab im November 1938 aus- drücklich seine Zustimmung zu den Liechtenstein zur Verfügung gestellten Richtern, auch für den langjährigen, vollamtlichen Landrichter in Vaduz, Dr. Julius Thurnher. Als «deutsche Richter» am- tierten nun drei bisherige und drei neue Richter in Liechtenstein,134 neben einheimischen und schwei- zerischen Richtern. Die Österreicher in Liechtenstein wurden deutsche Reichsbürger135 und damit Teil der jetzt gegen 1400 Personen131' umfassenden deutschen Kolonie, in der seit 1933 eine deutsche «NSDAP Ortsgruppe Liech- tenstein» bestand.137 Hoop fürchtete den EinfTuss der deutschen Kolonie, stellte sich mit ihr aber freund- lich; man tolerierte deutsche Feiern, Filme und Red- ner aus dem Reich, soweit sie im geschlossenen Rahmen der Kolonie blieben.138 Es war wohl nur ein kleiner aktiver Teil der Deutschen und «ehemaligen Österreicher» im Lande nationalsozialistisch einge- stellt. Die österreichische Bahnstrecke durch Liechten- stein wurde von der Deutschen Reichsbahn über- nommen, samt den liechtensteinischen Angestell- ten.139 Buchs entwickelte sich zu einem nachrichten- dienstlichen Treffpunkt.140 Die Regierung bemühte sich um Vermittlung von Arbeitskräften ins Reich, Mitte November 1938 wa- ren rund 70 Liechtensteiner im Reich bei Bauarbei- ten beschäftigt, mehr als in der Schweiz. Arbeit im Reich lockte wegen des hohen Markkurses und der 128) Vgl. etwa Hans Hausamanns geheimdienstliche Empfehlungen von Ende Mai 1938. auszugsweise wiedergegeben bei Heribert Küng, Rheingrenze 1945 - St. Gallen. Liechtenstein und Vorarlberg am 28
	        

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