Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1990) (88)

LIECHTENSTEIN IM JAHRF. 1938 PETER GEIGER KONFERENZ IN BERN Am andern Morgen in der Frühe fuhr Carl Zuckmay- er nach stundenlangen Gestapokontrollen von Feld- kirch über die Grenze durch Liechtenstein in die Freiheit.''2 Wohl im gleichen Zug, in dem Zuckmayer sass, reisten Hoop und Frommelt an diesem Mitt- woch, 16. März, nach Bern.1'1 Sie konferierten dort am Vormittag mit sieben hochrangigen Vertretern der Departemente,64 darunter dem späteren Gene- ralstabschef Huber. Sie präsentierten das «einmüti- ge» Bekenntnis des Landtages zu Unabhängigkeit und Zollgemeinschaft mit der Schweiz; die «etwas reservierte persönliche Stellungnahme» des Obman- nes der Oppositionspartei gehe auf «blosse partei- taktische Erwägungen» zurück, das Volk sei beson- nen. Eine Gefahr der Ansteckung der Arbeitslosen könnte beim wirtschaftlichen Aufschwung in Vorarl- berg eintreten. Von der Schweizer Seite wurde in der Konferenz zugesagt, liechtensteinische Arbeitsuchende vor an- dern Ausländern zu berücksichtigen. Die Schweiz war in erster Linie an der militärischen und neutra- litätspolitischen Seite interessiert. Es ging um die Sicherung der Schweizergrenze im Rheintal und bei Sargans. Die Schweizer Vertreter tendierten dahin, Liechtenstein in die schweizerische Neutralität ein- zubeziehen und dann den militärischen Schutz Liechtensteins zu übernehmen, durch ein militäri- sches Besetzungsrecht, welches staatsvertraglich zu regeln wäre.65 Im Innern des Landes, betonten die Schweizer, hätten die liechtensteinischen Behörden für Ruhe und Ordnung zu sorgen, als Rückendek- kung für den schweizerischen Grenzschutz, sonst müsste die Schweiz die Zollgrenze auf den Rhein zurückziehen. Dies waren deutliche Wünsche. Die Liechtensteiner Delegation begrüsste eine Ein- beziehung in die schweizerische Neutralität, die Frage des militärischen Besetzungsrechts durch Schweizer Truppen müsse aber noch geprüft wer- den. Vorwürfe wegen laxer Fremdenkontrolle und Judeneinbürgerungen beschwichtigten die Liech- tensteiner. Hoop warb schliesslich für Zustimmung 
zum liechtensteinischen Radio, das die Selbständig- keit stütze;1'1' tatsächlich sendete es ab dem Herbst 1938."7 Die liechtensteinischen Regierungsmänner kehrten mit der Gewissheit heim, dass der Schweiz - im eigenen Interesse - an einem selbständigen Für- stentum vor der Haustür sehr viel lag, dass aber ohne innere politische Beruhigung der Zollvertrag gefährdet war und ein österreichisches Schicksal drohte. Das Entgegenkommen der Schweiz wollte man nützen, aber der schweizerischen Neigung zu militärischer Umarmung sich entziehen.''* 58) Siehe oben Anm. 56 59) Telegraphische Mitteilung von Regierungsrat Peter Büchel vom 16. März 1938 an die Schweizerische Depeschenagentur. LLA RF 179/130(11).-«Neue Zürcher Nachrichten», 17. März 1938.-«Die Ostschweiz», 17. März 1938, mit dem Titel: «Liechtenstein will selb- ständig bleiben». - «BerlinerTageblatt», 19. März 1938: «Für selb- ständiges Liechtenstein». LLA 179/130 (Zeitungsausschnitte), dort auch die übrigen erwähnten ausländischen Pressequellen. 60) «Niederschrift über die Forderungen von Dr. Schädler an Regie- rungschef Hoop nach dem Bericht von Herrn Dr. Schädler vom 19. 3. 1938». von Dr. Stiervon der Volksdeutschen Mittelstelle in Berlin an Aussenminister Hibbentrop geleitet. LLA Dok. 115/117 382. siehe unten Anm. 97 und Anm. 71. Dr. Schaedler hatte seine Forderungen in Vaduz am 15. März, allenfalls am 16. oder 17. März, noch mit Dr. Hoop kontrovers besprochen. 61) Siehe unten S. 20. 62) Carl Zuckmayer, «Hexensabbat des Pöbels- Das Getöse des Weltuntergangs durchhallte die Luft», in: Thomas Chorherr (Hg.), 1938-Anatomie eines Jahres. Wien 1987, S. 256-258 (aus Zuck- mayer. Als wär's ein Stück von mir. 1966). 63) Aufzeichnung des EPD. «Konferenz, zur Besprechung der Frage des Schutzes der liechtensteinisch-österreichischen Grenze» auf dem Fidgenössischen Politischen Departementam 16. März 1938, 9.30-12.15 Uhr. LLARF 179/130(22-25). 64) Vom FPD: Minister Dr. Hans Frölicher, Dr. Peter Anton Feld- scher; vom FMD: Oberstdivisionär Jakob Huber, Oberstleutnant F'rick; vom FFZD: Oberzolldirektor Gassmann. Dr. Wyss; vom EJPD: Dr. Heinrich Rothmund (Chef der Polizeiabteilung); siehe oben Anm. 63. 65) Vgl. hierzu auch die analogen Vorschläge von Oberst Sennhauser in seinem Leitartikel «In ernster Stunde», «Die Tat», Sondernummer vom 12. März 1938. 66) Siehe oben Anm. 63. 67) Vgl. Norbert Jansen, «Radio Liechtenstein, Der Liechtensteini- sche Landessender (1938- 1939)», in: JBL 1973, S. 111-202. 68) Das zeigen die weiteren liechtensteinischen Schritte, siehe unten S. 21.28. 15
	        

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