Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1990) (88)

In Döblins Wallenstein-Roma,n wird, wie oben im Abschnitt «Fürst Karl» dargelegt, irreführenderwei- se «Gundakar von Liechtenstein» in einem ganz falschen Zusammenhang vorgestellt (S. 154). Da der «Gouverneur» von Böhmen wiederholt als ein alter Mann geschildert wird (auf Seite 222 wird er sogar als «der greise Fürst Liechtenstein» bezeich- net) fragt es sich, ob Döblin vielleicht etwas über Gundaker gelesen hatte und diese Eigenschaft dann versehentlich auf Karl übertrug.55 Zur Zeit der be- treffenden Ereignisse (ca. 1622) war Karl nämlich erst 52 Jahre alt; laut Falke starb er unerwartet im Alter von lediglich 57 Jahren, hatte allerdings jah- relang ein Leiden, für das er zur Kur gehen muss- te.56 Gundaker seinerseits erreichte das für jene Zeit selten hohe Greisenalter von 78 Jahren und behielt das wichtige Obersthofmeisteramt bis zu seinem Ende. In Friedrich Schillers Wallenstein-Dr&ma. kommt der Name «Lichtenstein» zweimal vor, beide Male im 1799 uraufgeführten zweiten Teil der Trilogie, Die Piccolomini.57 Im II. Aufzug, 2. Auftritt will Wal- lenstein von seiner Frau, die gerade aus Wien zu- rückgekehrt ist, erfahren, wie man am Hof ihm gegenüber geneigt ist; er fragt sie: Wie war's mit Eggenberg, mit Liehtenstein Und mit den andern Freunden? (V. 680-81) (Sie antwortet, sie habe keinen gesehen.) Die zweite Erwähnung erfolgt am Anfang des IV. Aufzugs, im 1. Auftritt, wo die Generäle und Obersten an einem Festmahl zechen. Isolani berichtet dem gerade ein- getroffenen Max Piccolomini über das, was passiert: /...] Sie teilen Dort an der Tafel Fürstenhüte aus, Des Eggenberg, Slawata, Lichtenstein, Des Sternbergs Güter werden ausgeboten Samt allen grossen böhm 'sehen Lehen [...] (V. 1917-21) Die meisten deutschen Ausgaben des Textes bringen keine Anmerkung zum Namen «Lichtenstein» (wo- bei einige den neben ihm vorkommenden «Eggen- berg» als den Obersthofmeister Kaiser Ferdinands, Fürst Hans Ulrich von Eggenberg, identifizieren). 
Im Band über Schillers Wallenstein in der vielbe- nützten Reihe «Dr. Wilhelm Königs Erläuterungen zu den Klassikern» bringt Oswald Woyte folgende Anmerkung über Vers 680: «beides aufrichtige und einflussreiche Freunde Wallensteins - Lichtenstein war übrigens schon 1627 gestorben.»58 In einer klas- sischen britischen Ausgabe des Stücks, mit englisch- sprachigen Erläuterungen zum deutschen Text, nennt Karl Breul in der betreffenden Anmerkung «Prince Charles of Lichtenstein» und fügt den bio- graphischen Details hinzu: «His introduetion in this play is an anachronism, as he died in 1627.»5'' (Die Handlung des Dramas findet nämlich im Jahre 1634 statt.) Da, erstens, Karl von Liechtenstein bekanntlich viele Berührungspunkte mit Wallenstein hatte (einige sind oben unter «Fürst Karl» erwähnt) und, zwei- tens, Schiller bekanntlich einen ausgesprochen lok- keren Umgang mit historischen Fakten hatte, ist der Schluss der Germanisten, dass Schiller bei den be- treffenden Stellen im Wallenstein Karl von Liechten- stein im Sinn hatte, nicht sehr verwunderlich. Was den Literaturwissenschaftlern, die offensicht- lich nicht mit allen Einzelheiten der in Frage kom- menden verwirrenden Zeitläufe vertraut sind, bis- her nicht eingefallen zu sein scheint, ist, dass Gun- daker von Liechtenstein ebensogut in die zitierten Stellen hineinpassen könnte, ohne gegen die chro- nologische Wirklichkeit zu Verstössen. In seiner wertvollen Arbeit «Gundaker von Liechten- stein und Albrecht von Wallenstein»''0 bringt Otto Seger viele Details über Gundakers Beziehungen zu Wallenstein, die nicht bei Falke zu finden sind, und die die entscheidende Rolle deutlich darlegen, wel- che Gundaker beim endgültigen Sturz Wallensteins spielte. Zufälligerweise wurden Wallenstein und Gundaker von Liechtenstein 1623 in einem Abstand von weni- gen Tagen zu Reichsfürsten ernannt.61 Sie trafen einander 1632 in Znaim, um Friedenspläne zu be- sprechen. Im Januar 1634 überreichte Gundaker Kaiser Ferdinand sein «Gutachten wegen des Fried- länders», welches Wallensteins verschiedene Unta- ten auflistete und indirekt zu dessen blutigem Ende wenige Wochen später führen sollte. 102
	        

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