Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1978) (78)

Umso erstaunlicher mag es auf den ersten Blick sein, dass im Hause Liechtenstein die beiden Prinzipien (Unteilbarkeit und Individualsuk- zession) wenig miteinander zu tun haben. Weil nämlich — wie oben gezeigt — weder das Eigentum noch die Nutzung des gesamten Fidei- kommisses einer Einzelperson zukam, mithin auch nicht dem Primo- genitus, konnte das Fideikommiss als solches überhaupt nicht Gegen- stand der Erbfolge sein. Die Primogenitur beschränkt sich daher auf die Nutzung der Erstgeburtsgüter (die zum Fideikommiss gehören) sowie auf die Organstellung eines Chefs des Hauses, mit welcher eine Anzahl Rechte und Pflichten verbunden sind, wie später im einzelnen zu zeigen sein wird. a) Die Erbfolge nach der Primogenitur Das Wesen der Primogeniturerbfolge besteht darin, dass immer der Erstgeborene aus der ältesten Linie in das Nachlassgut folgt. Man bezeichnet dies als die reine Linealerbfolge, da die Nähe des Grades zum letzten Inhaber nicht berücksichtigt wird.145 Die Seitenverwandten kommen also nicht zum Zuge, solange in der ältesten Linie noch Agnaten vorhanden sind. Somit hat das Repräsen- tationsrecht unbeschränkte Geltung,146 d.h. selbst der entfernteste Des- zendent nimmt die Stelle seines vorher verstorbenen Aszendenten ein.147 Der erstgeborene Sohn des letzten Berechtigten erwirbt bei seiner Ge- burt für sich und seine gesamte männliche Deszendenz das ausschliess- liche Sukzessionsrecht. Er braucht selber nicht zur Nachfolge zu gelan- gen; auch wenn er vorher stirbt, bleibt die Sukzession in seiner Linie: seine männlichen Nachkommen «repräsentieren» ihn. Ein nachgebore- ner Sohn des letzten Inhabers erlangt für sich und seine männliche Des- zendenz lediglich ein eventuelles Sukzessionsrecht, das erst zur Wirkung gelangt, wenn in der Linie des Erstgeborenen keine sukzessionsfähigen Agnaten mehr vorhanden sind. In der Linie des Erstgeborenen erlangt wieder dessen Erstgeborener 145 Dies im Gegensatz zum Gradualsystem (das den Nachfolger unter den dem Erblasser dem Grade nach am nächsten stehenden suchte, wobei unter meh- reren gleich nahe Verwandten in der Regel der älteste den Vorzug erhielt), sowie Mischformen beider Systeme. 146 Hübner 804. 147 Vgl. hierzu und zum folgenden: Schulze Erstgeburt 396. 68
	        

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