Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1978) (78)

Nun stellt der Kommissar einen Antrag an den Kaiser, den geflohe- nen Untertanen die Rückkehr in die Heimat zu gestatten, aber der Graf will Widerstand leisten. Er sehe voraus, dass er dann täglich von den Untertanen und Geistlichen in seinem Ansehen belästigt werde, und es seien Totschläge zu befürchten. Er und seine Beamten seien dann Tag und Nacht ihres Lebens nicht mehr sicher. Es ist einfach unerhört: Der Landesherr verdächtigt die Bürger, die es gewagt hatten, ihr gutes Recht an höherem Orte zu suchen, als Totschläger! Selbstverständlich küm- mert sich Rupert von Bodman nicht um die Verdächtigungen und Be- leidigungen und sorgt für Rückkehr und Sicherheit der Flüchtlinge. Ein Jahr dauert es, bis die Juristen in Salzburg ihre Arbeit über die Hexenprozesse in Vaduz beendet haben. Am 15. Oktober 1682 liefern sie ihre «Rechtlichen Bedenken über die in der Grafschaft Vaduz circa delictum magiae geführten Criminalprozess» ab. Es ist ein 600 Seiten umfassender Band, der in jedem Detail die 122 allein zwischen 1677 und 1680 geführten Prozesse analysiert. Das Ergebnis ist in einem ein- zigen Satze wiederzugeben: Kein einziger Prozess ist in der vorgeschrie- benen Rechtsform verlaufen, kein einziges Urteil ist rechtsgültig! Verhaftung, Folter bis zum Geständnis, Urteil und Hinrichtung, das war die unausweichliche Regel, und nur zwei Frauen sind dem Urteil entgangen, weil sie alle Grade der Tortur überstanden hatten. Man nahm sich nicht einmal die Mühe einer Einzelbegründung des Urteils. In den Akten in München fand ich einen Pauschaltext, ein gewöhnliches Formular also, in den man nur den Namen eintragen musste. Es trägt den grausamen Titel «End- und gnädiges Urteil» — gnädig deshalb, weil die «Hochgeborene Excellenz», der Graf, «auf demütiges Bitten von geistlichen und weltlichen Personen» die Opfer zuerst durch den Scharfrichter köpfen und dann erst ihre Leiber verbrennen Hess! Dieser Text war das letzte, was sie in ihrem Leben hörten. Die Asche wurde unter dem Hochgericht, dem Galgen, vergraben, damit sie Mensch und Tier nicht mehr schaden könne. Die Gründe des für den Grafen und seine Helfershelfer wahrlich vernichtenden Ergebnisses sind mannigfach. Da sind einmal die «un- christlichen Foltermethoden», und der Referent schreibt: «Nichts ist so grausam, als den Menschen, das Ebenbild Gottes, auf der Folter zu misshandeln und gleichsam zu zerfleischen.» Untersuchungen werden ohne Grund vorgenommen, oft bloss wegen des schlechten Rufes der 191
	        

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