Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1977) (77)

Die Pädagogik ging ganz vom Kinde aus. Als Richtlinie galt, «nichts in ein kepfl» zu pressen, was noch nicht hinein mag — also sich nach dem Auffassungsvermögen des Kindes und nicht nach einem Lehr- programm zu richten168. Das führte interessanterweise sogar so weit, dass die Hutterer, deren ganze Lebensgrundlage doch religiös war, die Kinder erst spät in religiösen Dingen unterwiesen und die Schulbrüder die Anweisung hatten, «die kinder mit langer predig und vil Schriften oder sprichen nit aufzuhalten, weil sie wenig fassen und verstehen künen.»167 Überhaupt sollten sich die Lehrer und Lehrerinnen ganz auf das Einzelkind einstellen, denn «in der zucht der kinder bedarf man ein grosses aufmerckhen und ein rechten underscheidt, dan oft last sich eins mit freindlichkeit der worden ziehen und weissen und lernen, mit ernst ist es alles vergebendlich, das ander wirt überwunden durch gaben, das drit thuet on ein ernst nicht lernen, last sich nit ziehen, darum so erfordert die zucht der kinder gottesforcht»168. Walpot instruiert die Lehrer, dass sie den Kindern mit bestem Beispiel vorangehen sollen, denn die Kinder beobachten die Erwachsenen und lernen von ihrem Benehmen.169 Natürlich hat diese Schulung aller Kinder auch grosse Vorteile für die Gemeinschaft gehabt. Anders als bei Zunftherren und Handwerkern, bei denen sich ein Gewerbe einfach vererbte, wurde durch die indivi- duelle Unterrichtung bei den Hutterern jeder nach seinen Fähigkeiten ausgebildet — ein überlegenes Verfahren, wie leicht einleuchtet. Der hohe Ausbildungsstand der Hutterer war deren Schulen zu verdanken. Denn «die gleichmässige Erziehung aller Kinder in der Gemeinde war in dieser Zeit ein Novum. Die Hutterer hatten daher recht, wenn sie sagten, nur die Gemeinschaft der Güter mache das möglich: 'Die Gemeinschaft sorgt, dass die Kinder nach der Schrift, Ordnung und Zucht des Herrn erzogen werden, das Eigenthum tut es nicht'.»170 Tatsächlich haben auch die Reformatoren und haben vor ihnen die Klöster viel für die Schulen getan — aber niemals haben sie es zu einer Schule für alle gebracht: Die Kinder der Reichen und Adeligen konnten 166 Kelbert, Ste 15. 167 Schulordnung, Ste 42. 168 Schulordnung, Ste 45. 169 Menn. Lex. Bd 4, Ste 105. 170 Plümper, Ste 106. 165
	        

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