Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1976) (76)

Revolution von 1848 immer wieder gefordert worden war und das den Gemeinden im Geiste der neuen Verfassung eine demokratische Ord- nung und die Selbstbestimmung gab. Die Leitung der Gemeinde oblag nicht mehr allein dem Ortsrichter, sondern einem von der Gemeinde- versammlung gewählten Gemeinderat, der sich aus dem Ortsvorsteher, dem Kassier und — je nach Grösse der Gemeinde — drei bis sieben Gemeinderäten zusammensetzte. Diese auf drei Jahre gewählte Ge- meindevertretung wurde von der Gemeindeversammlung kontrolliert, das Aufsichtsrecht der Regierung hatte keinen bevormundenden Cha- rakter mehr. In die Jahre nach Erlass der neuen Verfassung fallen weitere, wichtige Gesetzesnovellen. Das Zehntablösungsgesetz brachte die Ab- schaffung der Belastung von Grund und Boden und eine neue Gewerbe- ordnung garantierte eine weitgehende Gewerbefreiheit. Verschiedene Feudallasten wurden aufgehoben und dafür das Steuerwesen im Steuer- gesetz von 1865 erneuert. Den Schutz des landwirtschaftlichen Bodens schliesslich sollten das Rheinwuhrgesetz, das Rüfegesetz und die neue Waldordnung bringen. Von vermehrtem sozialen Denken im Lande zeugt das Armengesetz von 1869, das für die Armenfürsorge gemeinde- eigene Armenhäuser vorsah. Auch das Bildungswesen, das zwar 1805 durch die Einführung der Schulpflicht seinen Anfang genommen hatte, aber «der schwächste Theil der Verwaltung»22 geblieben war, wurde durch zahlreiche Gesetze reformiert. Das umfassende gesetzgeberische Wirken der 60er Jahre war zum einen auf das im Volk entstandene politische Bewustsein zurückzufüh- ren, zum andern aber nicht zuletzt dem Landesverweser von Hausen zu verdanken, der durch sein diplomatisches Geschick und durch seine Sachkompetenz zu einer natürlichen Autorität wurde, neben der aller- dings die beiden liechtensteinischen Landräte an Bedeutung verloren. Unter den Nachfolgern von Hausens nahm die Macht des Landesver- wesers ständig zu. Der Ausbau seiner Stellung lag zwar im Rahmen der Verfassungsbestimmungen, war aber im Jahre 1862 weder vom Fürsten noch von den liechtensteinischen Verfassungsschöpfern beabsichtigt gewesen. Diese ungewollte Rückentwicklung, durch die sich das Volk plötzlich 22 Kaiser. S. 506. 21
	        

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