Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1974) (74)

Gewerbe-Ausschuss, indem er bei Einbürgerungen äusserste Vorsicht angewandt wissen wollte, «wenn östliche Manieren nicht zu stark in unserem Lande verbreitet sein sollen.»51 Der «Heimatdienst» schliess- lich, eine liechtensteinische Erneuerungsbewegung im Stile der Zeit, betrieb antisemitische Rassenpolitik, indem er sich gegen die Einbürge- rung von Juden stellte. Nach Aussage eines Kritikers entsprang eine solche Haltung dem «übertriebenen arischen Empfinden einiger Weni- ger» im Lande.52 Die Frage der Ausländer in Liechtenstein in der unmittelbaren Vor- kriegszeit und im Zweiten Weltkrieg müsste im Zusammenhang mit einer noch zu leistenden allgemeinen Untersuchung dieses bewegten Abschnittes der liechtensteinischen Geschichte abgeklärt werden. In der Nachkriegszeit ist die Einstellung der liechtensteinischen Be- völkerung zu den Ausländern durch zwei Haltungen charakterisiert: Einmal erstaunt die Tatsache, dass im Gegensatz zu andern mittel- und westeuropäischen Ländern keine Fremdenfeindlichkeit gegen Südländer entstanden ist. Die fremdsprachigen südeuropäischen Ausländer stellen keinen so hohen Anteil am gesamten Ausländerbestand wie in andern mitteleuropäischen Ländern. Die Liechtensteiner wissen sich ihnen überlegen und fühlen sich von ihnen nicht bedroht. Vielen dürfte noch bewusst sein, dass sie selber oder ihre Vorfahren in gleicher Weise als «Fremdarbeiter» auf Toleranz in andern Ländern angewiesen waren. Vielmehr richten sich Befürchtungen und Antipathien der Liechten- steiner gegen jene Ausländer, die die Überschichtung der liechtenstei- nischen Sozialstruktur bewirken, gegen ausländische Führungskräfte, Spezialisten, Akademiker in der Wirtschaft und etwa auch im Schul- wesen. Ihnen fühlen sich viele Liechtensteiner unterlegen, von ihnen sehen sich viele verdrängt und am sozialen Aufstieg gehindert. Hier erklingt erneut der Ruf «Liechtenstein den Liechtensteinern», jenes Leitmotiv, das sich durch die ganze liechtensteinische Geschichte zieht. Zusammenfassend kann man denn die Einstellung von Behörden und Bevölkerung zu den Ausländern in der liechtensteinischen Ge- schichte als nicht abweisend, aber distanziert bezeichnen. Während 51 Liechtensteiner Nachrichten, 8. Dez. 1934, S. 1. 52 Ebenda, 19. Dez. 1934, S. 1. 46
	        

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