In den Nachbarländern Liechtensteins hat sich eine vergleichbare Entwicklung abgespielt:14 In der Schweiz etwa stieg der Ausländeranteil von 3% um 1850 (FL 2,7 %) auf rund 15% vor dem Ersten Weltkrieg (FL ca. 17%; Kt. St. Gallen über 17%). Dies führte zur ersten grossen «Überfremdungsangst». Dann fiel der Anteil allerdings mit 5,2% um 1941 weit unter die liechtensteinischen Werte (16 %), erst 1960 erreichte er wieder 10,8% (FL 24,9%), dann stieg er rasch auf 15,9% um 1970 (FL 33 %);15 in den letzten Jahren versucht die Schweiz ihren Auslän- deranteil einigermassen stabil zu halten. In Liechtenstein lag also der Ausländeranteil seit dem Ende des Ersten Weltkrieges beträchtlich hö- her als in den Nachbargebieten, doch erreichten Agglomerationen, welche wegen ähnlicher wirtschaftlicher Struktur eher vergleichbar sind, ebenfalls «liechtensteinische» Werte. Überblickt man nun die geschichtliche Entwicklung der Ausländer- zahlen in Liechtenstein, so ergibt sich, dass wohl lange Jahrhunderte hindurch nur sehr wenige Fremde neben der einheimischen Bevölke- rung wohnten, danach aber sich der Anteil der Ausländer seit gut einem Jahrhundert kontinuierlich vergrössert, von rund 3 % auf rund 35%, mehr als verzehnfacht hat. Modellartig wird an diesem in Liechtenstein akzentuierten Phänomen ein Grundzug der Neuzeit sichtklar: die Ent- stehung der «dynamischen Gesellschaft»,16 die durch Mobilität, Weit- räumigkeit, Veränderung und Relativierung enger Grenzen aller Art gekennzeichnet ist und ständigen Kultur- und Strukturwandel bedeutet. 14 Vgl. für Österreich: Gastarbeiter — Wirtschaftliche und soziale Herausfor- derung, hg. vom Arbeitskreis für ökonomische und soziale Studien Wien, Wien 1973, S. 11, und Meusburger S. 53; für die Bundesrepublik Deutsch- land: Gastarbeiter = Mitbürger, Bilder, Fakten, Gründe, Chancen, Modelle, Dokumente, hg. von Rene Leudesdorff u. Horst Zillessen, Gelnhausen u. Berlin 1971, S. 24 ff. 15 Hoffmann-Novotny, S. 38; Bickel, S. 167. 16 Vgl. Friedrich F. Behrendt, Dynamische Gesellschaft, Über die Gestaltbar- keit der Zukunft, Bern u. Stuttgart 1963, S. 12 ff., 41. 23