Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1973) (73)

Die Lage auf dem Ernährungssektor hatte sich in Vorarlberg seit dem Frühling 1920 Schritt für Schritt verschlechtert und zu wieder- holten Volksversammlungen und Demonstrationen geführt: Am 2. Fe- bruar 1920 versuchte eine aufgebrachte Menge von Kriegsheimkehrern aus dem Vorderland einen wegen Wilddiebstahl seit Wochen arretierten Heimkehrer aus dem Landesgericht Feldkirch zu befreien. Am 6. März fand in der Marktgasse eine Protestversammlung statt, die die Freigabe von ein paar Tausend Militärschuhen forderte, angebliche «Schieber- ware», oder laut Bezirkshauptmann, als Kompensationsware für Liech- tenstein oder die Schweiz bestimmt.70 Ein Eisenbahnerstreik war am 19. April auf der Strecke Feldkirch- Buchs ausgebrochen und hatte sich besonders auf den Ententeverkehr empfindlich ausgewirkt. Das österreichische und liechtensteinische Bahnpersonal verlangte wegen der schlechten Kronenkonvertibilität Frankengehälter. Als Interimslösung erfolgte jedoch vorerst ein Fran- kenzuschlag und die zollfreie Einfuhr von Waren zum persönlichen Gebrauch aus Vorarlberg. Die insgesamt 64 Stations- und Bahnerhal- tungsbediensteten und Pensionisten scheinen diese Begünstigung jedoch missbraucht zu haben, was zu ihrer Widerrufung führte: «Eimer, Vieh- ketten, Sensen, kurz alles nur mögliche wurde eingeführt, nicht nur für den eigenen, sondern vermutlich auch für anderer Leute Bedarf, das Land (Liechtenstein) hatte das Nachsehen nach den Zöllen und die Bevölkerung wurde unruhig.»71 Am 18. November fand eine Eisenbahner-Demonstration vor der Bezirkshauptmannschaft und dem Finanzgebäude in Feldkirch statt. Die Versammelten forderten eine bessere Milch- und Brotversorgung und in aller Schärfe durch eine wirksame Grenzsperre die Verhinde- rung der Warenaufkäufe durch Liechtensteiner.73 Obwohl die Vorarlberger Landesregierung gleichzeitig eine totale Ausfuhrsperre im kleinen Grenzverkehr gegenüber Liechtenstein ein- führte und damit die Liberalisierungsmassnahmen des Handelsver- trages und der Verordnung vom Juli 1920 widerrief, wollte sie den Streik der Eisenbahner nicht in Verbindung damit bringen. Fürchtete 70 VT, 4. 2. und 6. 3. 1920. 71 Liechtenstein, E. S. 423 ff. 72 FA, 20. 11. 1920. / LLA: FLReg. Vaduz an FLGes. Wien. Vaduz, 6. 11. 1922. 89
	        

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