Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1972) (72)

Die Fürsten von Liechtenstein hatten die Landesherrschaft inne, mit der verschiedene Regalien und Hoheitsrechte verbunden waren.8 Die Gerichtsherrschaft lag ebenfalls bei der Landesherrschaft, was aber nicht bedeutete, dass der Gerichtsherr auch Richter war, sondern ledig- lich Träger der Gerichtsorganisation auf seinem Territorium, der die Durchführung von Urteilssprüchen, eventuell mit Zwang, zu besorgen hatte. Richter waren, wie bereits erwähnt, bis zum 1. Januar 1809 die beiden Gerichtsgemeinden bezw. die von diesen gewählten Vertreter.9 Eng mit Landes- und Gerichtsherrschaft verbunden waren bestimmte Relikte der alten Leibherrschaft. Der Gehalt dieses persönlichen Bezugs der liechtensteinischen Untertanen zum Landesherrn war zwar weit- gehend geschwunden, das Todfallrecht z. B. seit dem 16. Jahrhundert abgeschafft.10 Die Leistungen verschiedener Frondienste, die jährliche Abgabe der Fasnachtshenne, die bei Wegzug zu bezahlende Manumis- sionsgebühr, sowie das dabei zu entrichtende Abzugsgeld waren hinge- gen deutliche Merkmale der alten Leibeigenschaft.11 —• Neben dem Fürsten als Landes-, Gerichts- und Grundherrn in einer Person gab es im Fürstentum noch andere Grundherren. So besass das Erzhaus Öster- änderungen unterlag, würde die gesonderte Betrachtung Liechtensteins sicherlich rechtfertigen. Die Verhältnisse in Vorarlberg sind von Otto Stolz dargestellt worden. Hier liesse sich mancher Ansatz für eine liechten- steinische Bearbeitung finden, da in Vorarlberg und Liechtenstein viele gemeinsame geschichtliche Wurzeln vorhanden sind. — Vgl. Otto Stolz, Rechtsgeschichte des Bauernstandes und der Landwirtschaft in Tirol und Vorarlberg, Bozen 1949; besonders S. 163 — 200 und S. 360 — 381. 8 Vgl. oben, S. 73 f. 9 Vgl. oben, S. 74 f. 10 Malin, S. 29. 11 Durch Verordnung vom 19. November 1808 wurde die Leibeigenschaft, in ihrem ursprünglichen Gehalt bereits weitgehend ausgehöhlt, auch der Form nach aufgehoben (vgl. oben S. 56). Damit waren aber nur die Manu- missionsgebühr und das Abzugsgeld beseitigt, die Fasnachtshenne und die verschiedenen Fronen mussten weiterhin geleistet werden. Diese Tatsache kann nur durch das Ineinanderfliessen von Landes-, Gerichts- und Leib- herrschaft erklärt werden. Für die Obrigkeit verband sich damals mit dem Begriff der Leibeigenschaft lediglich noch die Beschränkung des Untertans bei einer beabsichtigten Auswanderung mit Vermögensabzug. (Vgl. oben, S. 56). Fasnachtshenne und Fronen wurden offensichtlich im Zusammen- hang mit Landes- und Gerichtsherrschaft gesehen. Die ursprünglich per- sonale Bindung zwischen Herr und Gefolgsmann, die Wurzel und tiefere Begründung der alten Ordnung, war allgemein bei Behörden und Volk weitgehend verschwunden. Geblieben war für die Obrigkeit lediglich die Tatsache der Realleistungen als Renten für die Herrschaft, für das Volk das Bewusstsein, dass diese Ordnung auf uraltem Herkommen beruhte, von dem man nicht abweichen durfte. 87
	        

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