Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1972) (72)

ausreichendem Vermögen, waren in Liechtenstein immer willkommen. Niedergelassene Ausländer, hauptsächlich aus Österreich, viele auch aus der Schweiz,140 waren als Industrielle, ausgebildete Facharbeiter und initiative Gewerbetreibende ein besonders wertvolles Element in der liechtensteinischen Wirtschaft der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Gesamtsicht der Bevölkerungsentwicklung Wie bereits mehrmals angedeutet, verlief die Bevölkerungsentwick- lung im 19. Jahrhundert nicht gleichmässig. Der ganze Zeitraum vom Ende des 18. Jahrhunderts bis zum Ersten Weltkrieg kann deutlich in drei Perioden des Wachstums geschieden werden. Die erste Periode ist die längste. Von 1789 bis 1852 wuchs die Bevölkerung im Jahresmittel um 10 Promille von 4 228 auf 8162. Infolge von Epidemien und Kriegs- wirren um die Jahrhundertwende und durch die Hungersnot von 1817 verlor Liechtenstein viele Menschenleben. Das Wachstum konnte aber durch solche Katastrophen nur vorübergehend unterbrochen werden. Die Volkszahl wuchs, weiter. Ursache dieser rapiden Zunahme war eine besonders starke Geburtenhäufigkeit, die trotz einer im Vergleich zu später höheren Sterblichkeit, zu einem beträchtlichen Geburtenüber- schuss geführt hatte. Ein leichter Wanderungsüberschuss beschleunigte die Bevölkerungszunahme zusätzlich. Die wirtschaftliche Grundlage für eine solche Bevölkerungsentwicklung lag aber nicht wie in anderen Staaten in einem Aufschwung von Industrie und Gewerbe, verbunden mit gleichzeitigen Fortschritten in der Landwirtschaft. Liechtenstein hatte in der ersten Jahrhunderthälfte keine Industrie und nur unbe- deutendes Gewerbe. Landwirtschaftliche Reformen, wie die Aufhebung der Feudallasten, die Ablösung der Grundlasten und die Trattauflösung wurden erst um die Jahrhundertmitte vorgenommen. Das Land selbst konnte seinen Einwohnern mit zunehmender Volkszahl immer weniger genügend Verdienstmöglichkeiten bieten. Nur Saisonarbeit in den Nach- barländern ersparte es vielen Liechtensteinern, ihre Heimat für immer zu verlassen und ihr Glück in der Ferne zu suchen. Die zweite Periode dauert von der Jahrhundertmitte bis etwa 1890. Schon in den vierziger Jahren begann sich die allgemeine wirtschaft- liche Lage zu verschlimmern. Die Kartoffelkrankheit, mehrere schlechte Erntejahre, vor allem die Überschwemmungskatastrophe von 1846 schädigten die Landwirtschaft schwer. Eine allgemeine Teuerung setzte 146 Freizügigkeitsverträge mit den schweizerischen Kantonen St. Gallen und Graubünden und der Eidgenossenschaft in der ersten Jahrhunderthälfte, später der liechtensteinisch-schweizerische Niederlassungsvertrag vom 6. Juli bzw. 22. September 1874 kamen einer Niederlassung von Schwei- zern in Liechtenstein entgegen, der letztere regelte vor allem auch den Aufenthalt der vielen liechtensteinischen Saisonarbeiter in der Schweiz. (LGB1. Jg. 1875, Nr. 1). 67
	        

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