Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1972) (72)

nen verteilt worden waren, wurden die Einkaufstaxen von fremden und einheimischen Hintersassen immer mehr als Ungerechtigkeit empfun- den. Die Angst vor einer weiteren Verzettelung des Gemeindevermö- gens, das Misstrauen gegen alles Fremde und die Aufnahmepraxis vor 1809 ohne besondere Rücksicht auf Vermögen und Leumund der Zu- wanderer mochten die fremdenfeindliche Haltung der Gemeinden be- stimmt haben.139 Das Gemeindegesetz vom 24. Mai 1864140 und das Gesetz über Er- werbung und Verlust des Staatsbürgerrechtes vom 14. April 1864141 legten dann eindeutig fest, dass das Landesbürgerrecht nur mehr durch Erwerb eines Gemeindebürgerrechtes zu erlangen sei. Allein der Fürst konnte noch das sog. «Ehrenstaatsbürgerrecht» verleihen, das von einer Aufnahme in eine Gemeinde unabhängig war.142 Hintersässen bzw. Landesbürger, die mehr als 30 Jahre in einer Gemeinde gewohnt hat- ten, wurden an ihrem Wohnort Gemeindebürger.143 Wer weniger als 30 Jahre im Lande Wohnsitz hatte, konnte gegen ein aus dem «Ver- mögen der betreffenden Gemeinde errechnetes Einkaufsgeld» das Bür- gerrecht erwerben.144 Wer aber innert 4 Monaten das Bürgerrecht nicht verlangte, blieb «niedergelassener Staatsbürger» und war als solcher zwar in der Gemeinde wahlberechtigt, aber von den meisten Nutzungs- rechten ausgeschlossen.143 Das alleinige Landesbürgerrecht war nun beseitigt, nicht aber die Aufteilung der Gemeindebürger in wenigstens •zwei Kategorien von Berechtigung. Diese Lage ist im wesentlichen bis heute erhalten geblieben, allerdings durch die Entwicklung, die die Zeit mit sich brachte, etwas anders akzentuiert. Die liechtensteinische Ausländerpolitik während des 19. Jahrhunderts war gekennzeichnet durch eine liberale Haltung der Behörden und durch eine von den Gemeinden äusserst restriktiv und oft ungerecht betriebene Einbürgerungspolitik. Einwanderer, vor allem solche mit 139 LRA NR 67/4. 15. Dez. 1840. OA an Fürst. Das Oberamt berichtet über die Einbürgerungspolitik der Gemeinden, als ein Österreicher von der Gemeinde Vaduz nicht als Beisäss aufgenommen wurde. 140 Gemeindegesetz vom 24. Mai 1864. LGBL Jg. 1864, Nr. 4. 141 Gesetz über die Erwerbung und über den Verlust des liechtensteinischen Staatsbürgerrechtes vom 14. April 1864. LGBL Jg. 1864, Nr. 3. 142 Staatsbürgerrechtsgesetz, § 6. 143 Gemeindegesetz, § 8. 144* Gemeindegesetz §§ 25 — 29. Die Errechnung der Einkaufstaxe erfolgte, in- dem das gesamte Gemeindevermögen nach Abzug aller Belastungen unter die damals nutzungsberechtigten Gemeindebürger aufgeteilt wurde. Ein Teil entsprach dann der zu leistenden Einkaufstaxe. Da den Gemeinden eine entgeltliche oder unentgeltliche Einbürgerung weiterhin freistand (§ 23, Z. 4), waren Willkür und ungleiche Behandlung der Bürgerrechts- werber auch fernerhin nicht behoben. 145 Gemeindegesetz § 8, §§ 33 - 37. 66
	        

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