Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1972) (72)

ländern begünstigt, ja teilweise wegen des Mangels an Fachkräften nötig gemacht hatte. Insgesamt gesehen, hat sich der Anteil der Aus- länder an der Bevölkerung von 1815 bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges verzehnfacht. Die staatliche Ausländerpolitik zerfällt in eine Niederlassungs- und eine Einbürgerungspolitik. Die liechtensteinische Niederlassungspolitik im 19. Jahrhundert muss als liberal bezeichnet weiden. Ausländern gestattete man bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts ohne weiteres «auf Wohlverhalten hin» den Aufenthalt im Lande. Wer sich niederliess, zahlte für den landesfürstlichen Schutz ein jährliches «Landesschutz- geld oder Hintersässgeld» von anderthalb Gulden im Ober- und zwei Gulden im Unterland. Gegen eine Einkaufsgebühr von 20 Gulden und eine Kanzleigebühr von 5 Gulden konnte jedermann liechtensteinischer Landesbürger werden.129 Seit 1809 wurden als zusätzliche Bedingungen gefordert, dass der Einwanderer eine offizielle Bestätigung für seine Entlassung aus dem Heimatort vorwies, ein bestimmtes Minimalver- mögen zum Lebensunterhalt mitbrachte, einen guten Leumund hatte und die Landesvorschriften beachtete.130 1843 wurden genaue Vor- schriften für die «Aufnahme» von Ausländern in den liechtensteini- schen Untertanenverband erlassen.131 Die Einwanderungsregelung blieb grundsätzlich gleich. Neu war die Bestimmung, dass jeder niedergelas- sene Fremde nach 10 Jahren liechtensteinischer Staatsbürger wurde.132 Damit wurde mancher, der wegen seiner Niederlassung in Liechtenstein sein ursprüngliches Heimatland verloren oder gar nie eines besessen hatte, in den liechtensteinischen Staatsverband aufgenommen. Die Untertanenaufnahme geschah gebührenlos, auf das Hintersässgeld wur- de verzichtet. Nur bei Einwanderungen aus Staaten, die Aufnahmsge- bühren verlangten, wurde von Liechtenstein aus Gegenrecht gehalten.133 Die staatliche Regelung der Einwanderung und der' Erwerbung des Staatsbürgerrechtes kann als freizügige Niederlassungspolitik bezeich- net werden. Bei der Aufnahme als Landesbürger kann von einer echten Einbür- gerung nicht gesprochen werden. Der Landesbürger war ein Bürger zweiter Klasse und wurde innerhalb des Gemeindeverbandes lediglich als «geduldeter Hintersässe» angesehen, seine Rechte in der Gemeinde 129 LRA SR A. Akten betr. Aus- und Einwanderungen. LRA NR 22/1/10. 28. August 1923. OA an Fürst. Amtsbericht betr. Hintersassen etc. 130 LRA LBS, S. 230 f. 131 Verordnung betr. Aufnahme von Ausländern in den liechtensteinischen Untertanenverband vom 15. Jan. 1843. — Text siehe Anhang Nr. 32, S. 94-97. 132 § 5 der Verordnung. 133 § 9 der Verordnung. 64
	        

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.