Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1972) (72)

verboten worden war,162 hätte die Kinderarbeit eigentlich nicht mehr vorkommen dürfen. Jedoch schon die Gewerbeordnung sah Ausnah- men vom Kinderarbeitsverbot vor,163 und die wirtschaftliche Not so mancher Familie trieb weiterhin zur Missachtung des Kinderarbeits- verbotes.164 Bis zum Ersten Weltkrieg bestand ein Teil der Belegschaft der liechtensteinischen Fabriken immer aus Kindern und Jugendlichen unter 16 Jahren. Unter den 21 Arbeitern der ersten Textilfabrik des Landes waren 1861 ein 13-jähriges und zwei 15-jährige Mädchen.165 Von den 69 Arbeitern der Spinnerei in Vaduz waren 1883 12 weniger als 16 Jahre alt.166 Noch 1909 zählten von den insgesamt 648 Industrie- arbeitern des Landes 43 weniger als 16 Jahre.107 Alle diese Kinder ar- beiteten mit einer Sonderbewilligung der Regierung. Fabriken, die ohne behördliche Bewilligung schulpflichtige Kinder beschäftigten, wurden streng gebüsst.168 Das Ausmass der Kinderarbeit stand so zwar unter staatlicher Kontrolle, die Kinderarbeit selbst wurde aber nie vollständig beseitigt. Arbeitszeit Anfänglich gab es keine Vorschriften über die Arbeitszeit in den Fabriken. Die einzelnen Unternehmen legten die Arbeitszeit selbst fest. Gearbeitet wurde allgemein an allen Tagen ausser Sonn- und Feier- tagen. Für die Arbeiter der Triesner Weberei galt der 13-Stundentag. Im Sommer wurde von 5 Uhr bis 12.30 Uhr und von 13 Uhr bis 19.30 Uhr gearbeitet. Im Winter begann die Arbeit erst um 6 Uhr und hörte um 20 Uhr auf.109 Die Normalarbeitszeiten in den Fabriken wurden aber oft beliebig erweitert, und Nachtarbeit je nach Bedarf angeordnet, was sich vor allem auf die jüngeren Fabriksarbeiterinnen gesundheits- ( schädlich auswirkte.170 162 Gewerbeordnung vom 16. Okt. 1865. § 46. - LGBL Jg. 65, Nr. 9. 163 a. a. O. — «Für gewisse Fabrikationszweige und unter nähern Bestimmun- gen über Art und Dauer der Beschäftigung» konnte die Regierung die Beschäftigung von schulpflichtigen Kindern gestatten, wenn dadurch die körperliche und geistige Entwicklung der Kinder nicht gefährdet würde. 164 1867 werden beispielsweise die 12-jährige Martha und die 14-jährige Magdalena Vogt, beide Kinder des Anton Vogt aus Balzers, von der Schul- pflicht befreit, um in Triesen zur Fabrik zu gehen. Vogt hatte sieben Kinder und war sehr arm. (LRA 1867/ad Nr. 208. Mehrere Akten). 165 LRA 1861/35/28. Nr. 989 pol. 21 1861. Arbeiterverzeichnis. 166 LRA 1883/Nr. 1580. Nov. 1883. Arbeiterverzeichnis. 168 1873 wurde die Weberei in Triesen wegen der Beschäftigung von schul- pflichtigen Kindern mit 100 fl gebüsst. (1873/Nr. 210. 3. Febr. 1873. Reg. an Weberei Triesen). — 1885 erinnerte die Regierung sämtliche Fabriken des Landes an das Kinderarbeitsverbot und drohte mit Strafen von bis zu 100 fl. (LRA 1885/Nr. 189. 31. Jan. 1885. Regierungsdekret). 169 LRA 1870/Nr. 280. 31. März 1870. Weberei Triesen an Reg. 170 LRA 1870/ad Nr. 280. 24. März 1870. Reg. an Weberei Triesen. 282
	        

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