Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1972) (72)

einheimische Sticker zu vermitteln. Dieser sog. «Veredlungsverkehr» wurde auch nach Abschluss des Zollvertrages mit Österreich aufrecht- erhalten und durch eigene Bestimmungen geregelt.153 Gestickt wurde in Liechtenstein seit den 40-er Jahren von Hand. Dann setzte sprunghaft die Handmaschinenstickerei ein. 1877 stand erst eine Stickmaschine im Land. 1879 waren es bereits 27. 1910 war die Maschinenzahl von 1891 (91) mit 179 annähernd verdoppelt und zugleich der Höchststand erreicht. Fast alle diese Maschinen dienten der Plattstichstickerei, einige wenige der Kettenstichstickerei (Vorhangstickerei). Die Handstickerei war seit etwa 1880 unbedeutend geworden. Die im Anhang gegebenen Tabellen mögen die geschilderte Entwicklung verdeutlichen.154 In der Schweiz kam um 1890 die motorgetriebene Schifflistickma- schine stark auf und drängte die Handmaschinenstickerei immer mehr zurück. Liechtenstein, wo die Stickerei als Heimarbeit betrieben wurde, führte die erste Schifflistickmaschine erst 1912 ein. Sie stand in Ruggell, ein Jahr darauf arbeitete eine weitere in Vaduz.155 Der Weltkrieg be- reitete der Stickerei in Liechtenstein ein jähes Ende und brachte die vielen Sticker um ihren Verdienst und ihr investiertes Kapital.1553 In der Stickerei herrschte vielfache Arbeitsteilung.156 Die feine Hand- stickerei im Plattstich und anderen Zierstichen wurde auf dem Stick- rahmen ausgeführt und erforderte äusserste Sorgfalt. Die Kettenstich- stickerei wurde ursprünglich mit der Häkelnadel von Hand ausgeführt. Dann kam die einnadlige Kettenstichstickmaschine von der Grösse einer Nähmaschine auf. Die Handmaschinenstickerei bediente sich der von Hand betriebenen Plattstichmaschine. Eine solche Maschine kostete gegen Ende des 19. Jahrhunderts mehr als 1000 Gülden.157 Zu deren 153 Nach Abschluss des Zollvertrages waren die Sticker genötigt, den Vered- lungsverkehr durch die Behörden neu regeln zu lassen. Sie gelangten des- halb an das Oberamt und suchten um Bewilligung zur Fortführung ihres Gewerbes und um zollfreie Ein- und Ausfuhr der Stickereiwaren nach der Schweiz an. Das Oberamt kam dem Ersuchen nach und verlangte Meldung über die im Lande tätigen Fergger. (LRA NR 102/193. 27. Nov. 1852. Zirkular an alle Ortsvorsteher). 154 Anhang Nr. 66, S. 208 f. 155 LRA Gewerbesteuerkataster 1910 - 1915. 155a Die für Anschaffung einer Stickmaschine und Bau eines Stickereilokals auflaufenden Kosten dürfen mit gut 2000 fl angenommen werden. (LRA 1889/Nr. 352. 19. Febr. 1889. Stellungnahme der Kassaverwaltung). Dem- nach waren im liechtensteinischen Stickereigewerbe zur Zeit seines Höchst- standes (1910/12: 170 Sticker mit 184 Stickmaschinen) schätzungsweise 340'000 fl investiert. 156 In der folgenden Schilderung der Arbeitsverhältnisse und Arbeitsverfas- sung in der Stickerei folge ich: Jacob Lorenz, Die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse in der schweizerischen Heimarbeit. I. Band. Zürich 1911, S. 338-348. 157 LRA 1885/Nr. 1337, 30. Aug. 1885. Stickereiarbeiter des Oberlandes an RA. 248
	        

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