Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1972) (72)

verstehen, die am 1. Mai noch in den Freijahren standen und noch kei- nen Zehnt leisteten, sowie der Zehnt von künftigen Neubrüchen ausser- halb der alten Zehntlagen. Der vor dem 1. Mai 1848 entrichtete Noval- zehnt musste weiterhin bezahlt werden. Damit war einerseits die Geist- lichkeit in ihren Rechten geschützt, andererseits der Anreiz für die Bauern zur Urbarmachung von bisher gar nicht oder nur extensiv ge- nutztem Boden vergrössert worden. Trotz der obrigkeitlichen Klärung der Rechtslage verweigerten immer wieder Bürger den Zehnten von Grundstücken, die eindeutig noch zehntpflichtig waren.184 Die Entwick- lung zur völligen Auflösung des Zehntwesens war nicht mehr aufzu- halten. Mit Erlass vom 20. Juli 1852 
185 ordnete der Fürst die schleunige Ausarbeitung eines Zehntablösungsgesetzes an. Als Grundlage der Zehntablösung durften nur die Naturalerträgnisse vor dem Jahre 1848 angenommen werden.186 Gleichzeitig wurden aber auch die Zehnt- pflichtigen angehalten, ihren Verpflichtungen nachzukommen, bis das Zehntablösungsgesetz in Kraft trete.187 Infolge der einsetzenden Reak- tion, der schwierigen Materie und der Interessengegensätze zog sich die Gesetzesarbeit über mehrere Jahre hin. Neue Petitionen des Volkes drängten energisch auf einen Abschluss.188 Paragraph 15 der Verfassung vom 26. September 1862 sicherte den Loskauf aller bestehenden Zehn- ten zu.189 Schliesslich verabschiedete der Landtag am 7. Januar 1864 — die Zehntablösung in den Nachbarstaaten Schweiz und Österreich war längst durchgeführt —• das Zehntablösungsgesetz für Liechtenstein.190 184 Die Bürger der Gemeinde Schaan beschlossen bei 15 Gegenstimmen, von den «Gründen im Aeule, Neufeld, Mühleholz, Neugut, Neugereut, Wein- gärten, Gipsmühlen» künftig weder den fürstlichen, noch den Pfrund- zehnt zu entrichten. (LRA NR 87/4. 21. September 1848. Gemeindever- sammlungsbeschluss Schaan). — Dem Maurer Vorsteher Jakob Matt wurde wegen der Verweigerung des Kornzehnten ein Scharfschütze als «Exeku- tivmann» ins Haus gegeben, dem er neben dem gewöhnlichen Taglohn von 12 kr, Quartier, Verpflegung und 24 kr Exekutionsgebühr täglich zu bezahlen hatte, bis er seinen Zehnt entrichtete und sich dem Regierungs- amt zur Verantwortung stellte. (LRA 87/4. 12. Okt. 1849. RA an Jakob Matt). 185 LRA NS 1852. Erlass vom 20. Juli 1852, §§ 5 und 6. - Text siehe Anhang Nr. 43, S. 126 f. 186 a. a. O., § 6. 187 a. a. O. 188 Am 9. November 1858 übersandte das Regierungsamt dem Fürsten eine Petition der «Landmannschaft» vom 3. November 1858, worin neben einer neuen Verfassung und Gemeindeordnung und anderen Reformen auch das längst versprochene Zehntablösungsgesetz gefordert wurde. (LRA NR 106 b. 9. November 1858. RA an Fürst). 189 LRA NS 1862. Verfassung vom 26. September 1862, § 15. 190 Schädler, Landtag, JBL 1 (1901), S. 95. - Am 24. Dez. 1862 hatte die Re- gierung dem Landtag den entsprechenden Gesetzesentwurf eingereicht. (LRA 1862/Nr. 211. Landtagsakten L 4. 1862/63; L 9, 1863/64). 136
	        

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