Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1972) (72)

18. Jahrhundert nicht mehr alle Zugsberechtigten ihren Anteil am Ge- meindeboden zur Nutzung.101 Der in verschiedenen Fluren vom Weide- land abgetrennte und in eine Anzahl gleicher Teile aufgeteilte Ge- meindeboden reichte nicht mehr für alle. Sämtliche Teile waren ver- geben. Neue Anwärter mussten warten, bis ein Teil an die Gemeinde zurückfiel, oder neue Teile ausgegeben wurden. Gegen eine weitere Verringerung des Weidelandes wehrten sich aber die alteingesessenen Viehbesitzer.102 So wuchs gleichzeitig mit der Bevölkerungszunahme103 die Zahl derjenigen, die kein Anrecht auf die Gemeinheiten besassen, wie auch derjenigen, die wohl nutzungsberechtigt waren, für die aber keine Gemeindsteilungen vorhanden waren. Solche Ungleichheiten schürten Hass und Streit in den Gemeinden. Eine Neuregelung des Nutzungsrechtes an den Gemeinheiten, des Gemeindewesens schlecht- hin, drängte sich auf. Die Auffassung, dass ohne Rücksicht auf Privat- besitz, aufgrund des Heimat- bzw. Bürgerrechtes, das Anrecht auf eine Zuteilung von Gemeindeboden bestehe, führte zur Neugestaltung der Verhältnisse in den liechtensteinischen Gemeinden.101 Gemäss der Lehre der Physiokraten, die im freien Grundbesitz und im Ackerbau die einzige Quelle des Reichtums eines Landes sahen, waren im benachbarten Vorarlberg, in Bayern und der Schweiz Gesetze entstanden, die eine allgemeine Aufteilung des Weidelandes an die Bürger entweder ins Privateigentum oder zur Nutzung vorschrieben.100 Die liechtensteinische Obrigkeit war von der physiokratischen Lehre beeinflusst und konfrontiert mit der Tatsache, dass der grösste Teil des Bodens (Riede und Auen) lediglich als minderwertiges Streue- oder Weideland genutzt wurde, dass schönster Boden dem Weinbau und 101 LRA AR Nr. 10, Fasz. 9/9. 23.März 1804. Menzinger an HKW: Menzinger klagt, dass die Gemeindsteilungen nicht allen, sondern meist nur den Vorgesetzten und Vermöglicheren zugute kämen. Diese Ungerechtigkeit würde noch durch die Tatsache verstärkt, dass die Gemeinheiten steuer- frei seien. 102 Sie, die bereits Gemeindsteilungen inne hatten, sahen sich durch eine weitere Austeilung von Weideland in den Sondernutzen von Anwärtern auf Gemeindsteilungen geschädigt. Ihr Bedarf an privat genutztem Acker- und Wiesland war ja gestillt. 103 Vgl. oben, S. 38 ff. 104 Vgl. Büchel, Gemeindenutzen, S. 20 f. 105 In Vorarlberg war aufgrund einer Verordnung vom 31. Dezember 1768 eine allgemeine Aufteilung des Weidelandes teils in den Nutzen, teils ins Eigentum erfolgt. Auch in Bayern und in der benachbarten Schweiz hat- ten bereits grosse Aufteilungen stattgefunden und wurden auch weiterhin gesetzlich gefördert. (Büchel, Gemeindenutzen S. 22). In einem Bittgesuch von einigen Vaduzer Bürgern um die Zuteilung von Gemeindeboden wird auf die Gemeinheitenaufteilung in Vorarlberg und der Schweiz hinge- wiesen und gefragt: «Warum bei uns nicht?» — LRA AR Nr. 33, Fasz. 32/1. o. D. (1804). Jos. Anton Willi und Consorten an OA (Eingabe). 106 Vgl. Büchel, Gemeindenutzen, S. 21 f. 114
	        

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