Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1971) (71)

Gruppe der im Schulhaus Ruggell Untergebrachten sollte in das Schul- haus Mauren verlegt werden. Die Internierten hatten vorher davon er- fahren und fürchteten, von dort dann über die Grenze nach Österreich geschafft zu werden, da das Schulhaus Mauren nahe der Grenze lag. Als der Polizeichef nun mit seinen Polizisten im Schulhaus Ruggell erschien, um die Umplazierung vorzunehmen, rissen die Russen spon- tan ihre Hemden auf der Brust auf und riefen: «Schiess, Schiess !» Und dann erfüllte den Raum ein ohrenbetäubendes Geschrei, in das sich schrille Frauenstimmen mischten. Nicht wenige Einwohner des Fürstentums zeigten ihr Mitgefühl für die Internierten. Ja, Bauern demonstrierten sogar öffentlich gegen eine Auslieferung. Diese Einstellung der Bevölkerung fand einen festen Rückhalt, bei der katholischen Geistlichkeit, die für den leidenden Menschen eintrat. Die bischöfliche Kurie in Chur hatte noch vor dem 3. September Pfarrer Tschuor in Schaan beauftragt, bei der Regierung gegen eine Auslieferung zu protestieren «und an das Wort zu erinnern, man müsse in solchen Fällen Gott mehr gehorchen als den Menschen.»1 Aber auch das Internationale Rote Kreuz in Genf schaltete sich ein. Eine Delegation hatte bereits am 21. Juni das Lager in Ruggell besich - tigt und festgestellt, dass die Insassen aus Furcht, an die Sowjets ausge- liefert zu werden, nicht in die französische Besatzungszone gehen woll- ten. Nach dem Erscheinen der sowjetischen Delegation traf am 31. 8. ein besorgtes Schreiben aus Genf bei, Dr. Friedrich Ritter, dem Sekre- tär des Roten Kreuzes in Liechtenstein ein, das um Auskunft über die Repatriierungsaktion bat.2 Am 7. 9. erschien die Sowjetdelegation wieder in Liechtenstein. Die neue Regierung hatte den Beschluss der alten, nicht zwangsweise aus- zuliefern, übernommen und vertrat ihn der Delegation gegenüber. Um die Internierten für die Heimkehr zu gewinnen, wünschte die Delega- tion u. a., dass der Einfluss der Bauern und der Geistlichkeit vermieden werden solle, indem man den Kontakt zwischen ihnen verhindere.3 1 LRA, Nr. 230/43, Schreiben von Pfarrer Tschuor in Schaan v. 29. 7. 1946. 2 LRA, Nr. 23.0/43, «Russ. Internierte», Antwortschreiben Dr. F. Ritters an Herrn P. E. Marit in Genf v. 7. 9. 1945. 3 LRA, Nr. 230/43, «Russ. Internierte», Aufzeichnung über die Besprechung mit der russ. Delegation v. 7. 9. 45. 84
	        

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