Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1970) (70)

sungsentwurf dagegen sah er von diesen Beschränkungen ab und setzte auch das Alter für die Landratsfähigkeit von 30 auf 25 Jahre herab. Vom Stimm- und Wahlrecht aller Bürger ab 20 Jahren sollten einzig berufslose Leute— «Bettler» — ausgeschlossen bleiben; da Kaiser aber im gleichen Atemzuge bestimmte, dass jeder Bürger einen Beruf wäh- len müsse, der seinen Unterhalt sicherte, so war das allgemeine, gleiche Wahlrecht verwirklicht. Damit war auch dem Gleichheitsgedanken der Radikalen, welche die politischen Rechte gerade von sozialen Gegeben- heiten lösen wollten, Genüge getan. Das Gerichtswesen sollte demokratisiert und zugleich dezentralisiert werden. Erste Instanz sollten zwei Bezirksgerichte unter dem Vorsitz von Landammännern sein, zweite Instanz das Landgericht in Vaduz, während die dritte beim Fürsten vorgesehen war.25 Der Landesverweser sollte Untersuchungsrichter sein, die Urteile aber sollten von Geschwo- renen gesprochen werden. Es erstaunt, dass Kaiser, der doch in der Ein- fachheit der Verwaltung das erste Erfordernis sah, die alte Landam- mannverfassung, nach der die Landschaften Schellenberg und Vaduz gesonderte Gerichts- und Verwaltungsbezirke mit Landammann und Landschaftsrat20 bilden sollten, neu aufleben lassen wollte. Doch eben darin sah er die Anpassung an die historischen und natürlichen Gege- benheiten des Fürstentums. In der Bezirksverwaltung wollte er auch ein Gegengewicht zur obersten fürstlichen Exekutivgewalt schaffen. Durch Wiedereinführung der alten Formen suchte Kaiser, in dessen geschichtlichem Denken die Kontinuität eine wesentliche Rolle spielte,27 25 Die dritte Instanz beim Fürsten ist allerdings nur im Verfassungsabriss vorgesehen, siehe oben Anm. 15; im Entwurf ist sie noch vorbehalten, siehe oben Anm. 16. 26 Der Landschafts- oder Bezirksrat sollte aus dem Landammann und den Gemeindevorstehern des Bezirks bestehen, siehe Entwurf, oben Anm. 16. — Vgl. die Landammannverfassung seit den Grafen von Sulz und den Frei- herren von Brandis, Malin, S. 17 ff. 27 Siehe Kaiser, S. 511. Ebenso Kaisers von Hegel beeinflusste Schrift «Andeu- tungen über Geist und Wesen der Geschichte», Programm der Kantons- schule Aarau 1830; vgl. Müller, Studie, JBL 1944, S. 72. 100
	        

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