Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1970) (70)

Neben der politischen Stelbstbestimmung besass die Gemeinde die freie Vermögensverwaltung. Ein gewisses Aufsichtsrecht der Regierung schützte vor Misswirtschaft, ohne noch den Charakter der Bevormun- dung zu tragen. Durch die Einführung des gewählten Ortsschulrates im gleichen Jahr erhielt die Gemeinde Einfluss auf das Schulwesen,150 und ab 1870 wurde ihr durch einen Kirchenrat auch eine Einwirkung auf die Verwaltung des Kirchengutes zugestanden.151 Das leidige «Institut» der liechtensteinischen Hintersassen und die Zweiklassigkeit der Bürger wurde durch die Gemeindeordnung end- lich beseitigt, indem jeder Staatsbürger152 auch Gemeindebürger sein musste, jeder in einer Gemeinde heimatberechtigte Hintersasse sofort gegen einen massigen Einkauf Gemeindebürger wurde und nichthei- matberechtigte Hintersassen nach fünfzehn Jahren ununterbrochenen Wohnsitzes in der Gemeinde das Einkaufsrecht erlangten.153 Ausser- dem waren nun alle niedergelassenen liechtensteinischen Staatsbürger ebenfalls in der Wohngemeinde aktiv und passiv wahlberechtigt154 und 150 Gesetz vom 20. Okt. 1864, LGBI. 1864, Nr. 7, S. 60 ff.; dazu § 82 des Ge- meindegesetzes. Der Ortsschulrat bestand aus dem Ortsgeistlichen — als Vorsitzendem und Lokalschulinspektor —, dem Vorsteher, dem Kassier und zwei weiteren, von der Gemeindeversammlung gewählten Schul- räten. — In Vorarlberg beneidete man die Liechtensteiner um den Einfluss der Gemeinden im Schulwesen, Landeszeitung, 21. Jan. 1865, Nr. 2, S. 6. 151 Gesetz vom 14. Juli 1870, LGBI. 1870, Nr. 4; -dazu Schädler, Landtag, JBL 1901, S. 163. Der Kirchenrat bestand aus dem Ortsseelsorger, einem Gemeinderat, einem weiteren Gemeindebürger und nach Umständen noch einem Abgeordneten des Patrons. 152 Erwerb und Verlust der Staatsbürgerschaft hatte schon das Gesetz vom 28. März 1864 geregelt, LGBI. 1864,'Nr. 3, S. 11. Danach erlangten Fremde, die in den liechtensteinischen Staatsdienst traten, nicht mehr von selbst das Staatsbürgerrecht; dies hatte der Landtag durchgesetzt. Vgl. Schädler, Landtag, JBL 1901, S. 94 f. 153 Sie mussten freilich in der Gemeinde auch «behaust oder begütert» sein, Gemeindegesetz 1864, § 29, Abs. 2. 154 Gemeindegesetz 1864, § 48. Demgegenüber war aber in § 73 des Ge- meindegesetzes bei den Rechten der niedergelassenen Staatsbürger nur das aktive Wahlrecht, nicht aber das passive aufgeführt. In der Praxis scheint es so gehalten worden zu sein, dass die niedergelassenen Staats- bürger zum verstärkten Gemeinderat, nicht aber zum ständigen Ge- meinderat und zu den ersten Gemeindeämtern zugelassen wurden; vgl. Landeszeitung, 25. Febr. 1865, Nr. 6, S. 21. 319
	        

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