Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1970) (70)

Zwar sprach die Verfassung den Grundsatz der Unabhängigkeit der Gerichte von aller Einwirkung der Regierung aus (§ 34). In bezug auf den obersten Gerichtshof traf dies so uneingeschränkt zu, wie es sonst in keinem Staate möglich war. Schon bei der Hofkanzlei galt das nur mehr bedingt, indem die Hofkanzleibeamten als Diener des Fürsten von diesem beliebig ernannt und entlassen werden konnten. Eine eigent- liche Verquickung von Verwaltung und Rechtsprechung fand beim Landgericht statt, indem ihm neben der Justizpflege umfangreiche Aufgaben in der politischen und finanziellen Verwaltung zugewiesen wurden.45 Ein Grundzug der Gewaltentrennung besteht aber gerade darin, dass die Ausübung verschiedener Gewalten verschiedenen Orga- nen übertragen wird. Dem Landesverweser stand überdies ein Auf- sichtsrecht über die Rechtsprechung zu,4B und bei der Verurteilung von Militärpersonen erhielt der Kontingentskommandant — bei Offizieren der Landesverweser — Sitz und Stimme im Landgericht.47 Die Unab- setzbarkeit der Richter und damit ihre persönliche wie sachliche Un- abhängigkeit waren nicht gewährleistet. Schwurgerichte, wie sie 1848 gefordert und vorgesehen worden, waren nicht mehr eingesetzt, aber auch die Öffentlichkeit und Mündlichkeit der Gerichtsverfahren fehlte. Interessanterweise war auch das fürstliche Begnadigungsrecht wegge- lassen, doch verstand es sich kraft des monarchischen Prinzips von selber.48 Auch wenn man anerkennt, dass das Prinzip der Gewaltentrennung gerade auf einem möglichst ausgewogenen System gegenseitiger Ab- hängigkeiten beruht — als 'check and balance' verstanden —, so findet es sich hier in bezug auf Rechtsprechung und Verwaltung nur un- zureichend durchgeführt. Dies wurde auch erkannt, so dass man 45 Ebda. §§ 1, 7-34. 46 Ebda. § 49. 47 Ebda. § 29 Absatz 2. 48 Vgl. Raton, S. 45. Das Begnadigungsrecht des Fürsten war freilich immer mit dem Abolitionsrecht gekoppelt, welchem die liechtensteinischen Ver- fassungsschöpfer misstrauisch.gegenüberstehen mussten. In die Verfassung von 1921, § 12, wurde das Begnadigungsrecht des Fürsten wieder aufge- nommen, weil es sich nun nicht mehr von selbst verstand. 299
	        

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