Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1970) (70)

stätigung durch das Oberamt Gültigkeit. Unabhängige Gemeindever- sammlungen und -beschlüsse waren bei strenger Strafe verboten.57 Das Oberamt führte die Aufsicht über die Verwaltung des Gemeindever- mögens.58 Die Bevormundung der Gemeinden blieb also weiterhin be- stehen. Am Vorabend der Revolution von 1848 wurde Liechtenstein mit einer Scheinverfassung noch ganz im Stile des Spätabsolutismus regiert. Von einem Dualismus, wie er im echten Ständestaat im Gegenüber von Monarch und Ständen bestand,59 kann nicht gesprochen werden. Indes- sen ist auch die öfter verwendete Bezeichnung «Polizeistaat»60 für Liechtenstein zumindest seit Alois II. zu hart und unzutreffend; richtiger nennen wir es einen Verwaltungsstaat. Die durch die Landstände und die Gemeindeordnung eingeführten, wenn noch des eigentlichen Ge- halts entbehrenden konstitutionellen Formen mussten aber die poli- tische Rechtlosigkeit gerade ins öffentliche Bewusstsein heben. Ein für das ganze 19. Jahrhundert bestimmender Charakterzug der liechtensteinischen Geschichte liegt in der Parallelenentwicklung zu Österreich. Die landständische Verfassung war als «Miniatur-Kopie»61 den ständischen Statuten der einzelnen österreichischen Länder nach- gebildet.62 Einige süddeutsche Verfassungen hatten konstitutionelle Ideen nach dem Vorbild der französischen Charte constitutionnelle von 1814 verwirklicht,63 auch Kleinstaaten, wie die Verfassung des Fürsten- 57 Es wird hierin freilich eine vom Gesetz bedeutend abweichende Praxis bezeugt: «Allein das stand nur gedruckt; in hundert Fällen kümmerte sich Niemand um das Gesetz. Furchtsame, schwachherzige Richter, die es mit Keinem verderben wollten, Hessen wegen jeder Bagatelle Sturm läuten und die Gemeinde versammeln; dagegen gab es unter den Richtern auch starke Seelen, die, wie gesagt, alles selbst abmachten und die Gemeinde gar nicht fragten». Landeszeitung, 10. Dez. 1864, Nr. 26, S. 105. 58 Vgl. Quaderer, S. 186 ff. 59 Vgl. Zurlinden, S. 19; Stegen S. 33; Pappermann, S. 32. 60 So bei Zurlinden, Steger und Pappermann, siehe oben Anm. 59; ebenso bei Spillmann, S. 13, 36. 61 Vgl. die «Ansichten» der Hofkanzlei, siehe oben Anm. 31. 62 Landständische Verfassung, § 1. — Friedrich Bülau stellte 1842 lakonisch fest: «Im Übrigen wird das Ländchen nach österreichischer Art regiert und die ihm am 9. November 1818 verliehene Verfassung ist in demselben Geschmack.» S. 604, siehe oben Anm. 44. 63 Schieder, S. 97; Huber I, S. 314 ff., 319 ff. 24
	        

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