Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1970) (70)

Stimmung und Selbstverwaltung, dann das Gemeindebürgerrecht, die Aufteilung des Gemeindenutzens und die Rechtsstellung der Hinter- sassen, waren aber nicht befriedigend gelöst worden. Ein Liechtenstei- ner, der im Sommer 1849 auf die neue Gemeindeordnung wartete, traf in einem Artikel in der 'Vorarlberger Zeitung' die Verhältnisse in ihrer dörflichen, von ängstlichem Eigennutz durchherrschten Enge wohl richtig: «Bis anhin war es Übung und Sitte, dass Bürger, wenn sie in eine andere Gemeinde des Ländchens übersiedelten, dort wie Fremd- linge, wie überseeische Bewohner, betrachtet und behandelt wurden. Die Gemeindebürger diktierten diesen angesiedelten Mitbürgern nach Wohlgefallen Lasten; von einer ebenbürtigen Nutzniessung war dage- gen keine Rede; selbst die Aufnahme ins Bürgerrecht war ein Akt der Willkühr».55 Nun galt es, die Gemeindeordnung nach den in,der Revolution und im Verfassungsentwurf ausgesprochenen Grundsätzen umzugestalten. Der Geschäftsausschuss des ersten Landrates arbeitete im Juli und Au- gust 1849 eine neue Gemeindeordnung aus.50 Als leitende Grundzüge derselben nannte der Landratspräsident dem Fürsten die Selbständig- keit der Gemeinden in der Wahl der Vorstände und in der Verwaltung ihres Vermögens, die Erhaltung des Gemeindevermögens und das freie Niederlassungsrecht.57 Wesentlichstes Merkmal des Entwurfs war 55 Vorarlberger Zeitung, 28. Aug. 1849, S. 173. 56 Prot, der Sitzungen des Geschäftsausschusses, unvollständig, 21. —30. Juli 1849, LRA Schädler Akten 324 — 326. «Entwurf einer Gemeindeordnung für das Fürstentum Liechtenstein», am 13. Aug. 1849 abgeschlossen und vom Landrat unterzeichnet, 81 §§; es liegen drei Exemplare des gleichen Entwurfs vor, an zweien sind von Karl Schädlers Hand einige kleine, im ganzen belanglose Änderungen vorgenommen, LRA C. Vgl. auch Büchel, Gemeindenutzen, S. 58 ff. 57 Das freie, mit politischen Rechten verbundene Niederlassungsrecht war nicht nur für Landesangehörige, sondern auch für Gleichberechtigte aus Ländern, mit denen Gegenseitigkeitsabkommen bestünden, vorgesehen; Begleitschreiben zum Entwurf, 19. März 1850, LRA C/3. Vgl. auch § 56 des Verfassungsentwurfs von 1848, siehe oben S. 107, Anm. 60. — Die Frei- zügigkeit in den Gemeinden war freilich schon im Jahre 1810 im Fürsten- tum eingeführt worden, doch hatten sich darauf die Klagen der Gemeinden darüber gehäuft und sie hatten versucht, die Freizügigkeit wieder zu be- schränken; im Gemeindegesetz von 1842 würde die Freizügigkeit insofern beschränkt, als die Gemeinden wieder Einkaufstaxen erheben konnten; 169
	        

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