Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1970) (70)

Republikanismus, die sich gerade in Kleinstaaten gebildet hatten, und der Gedanke, durch Vergrösserung der mittleren Staaten ein besseres Gleichgewicht gegenüber den Grossmächten zu schaffen.69 Becker von Gotha, ein Gegner der Mediatisierung, äusserte indessen zu Recht in der Paulskirche, dass die Nationalversammlung sich der Art des alten Polizeistaates anschliessen würde, wenn sie den Kleinen vorschreiben wollte, was sie den Grossen nicht vorzuschreiben wagte: «Es ist ein irrthümliches Mitleiden mit der sogenannten Kleinstaaterei, das diesen Mediatisierungsbestrebungen zum Grunde liegt. Es ist bei vielen zur fixen Idee geworden, ein sogenanntes politisches Leben, welches jetzt für das höchste Gut der Menschheit ausgegeben wird, könne nur in unmittelbar grossartigen Verhältnissen sich entwickeln.»70 In der Tat waren zahlreiche Bitten und Adressen aus den kleinen Staaten, die sich von der Mediatisierung bedroht fühlten, eingegangen,71 und die Umfrage, welche bei den Abgeordneten der Kleinstaaten angestellt wurde, zeitigte das unerwartete Resultat, dass die Bevölkerungen fest an ihrer Selbständigkeit hingen. Die meisten kleinen Staaten waren nur bereit, im Reich aufzugehen, wenn dies ohne Unterschied auch von den grossen Staaten geschehen würde.72 Die liechtensteinische Haltung ging nicht einmal so weit. Die Mediatisierung war ein revolutionärer Gedanke. Aber die Natio- nalversammlung hatte gegen Ende 1848 ihren revolutionären Schwung bereits weithin eingebüsst.73 War die Grosszahl der Abgeordneten wie überhaupt die deutsche öffentliche Meinung im Juni noch für eine Ver- ringerung der Zahl der deutschen Staaten gewesen,74 so überwog im Dezember schliesslich das Rechtsgefühl und damit die Ansicht der Zwanglosigkeit in der Nationalversammlung: Sie lehnte die Zwangs- mediatisierung knapp ab75 und forderte lediglich die Zentralgewalt 69 Vgl. Valentin II, S. 298 f.; Hübner, S. 35. 70 Verh. Nat.Vers., S. 2827 f. — Liechtenstein wurde seiner kleinen Gestalt wegen von Befürwortern wie Gegnern der Mediatisierung öfter als Beispiel genannt; vgl. Hübner, S. 19 f., 43, 55. 71 Verh. Nat.Vers., S. 3817. 72 Ebda., S. 3819. 73 Vgl. Valentin II, S. 301 ff. 74 Vgl. Hübner, S. 20 ff. 75 Verh. Nat.Vers., 5. Dez. 1848, S. 3835 ff. 139
	        

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