Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1970) (70)

die Glaubens-, Gewissens- und Kultusfreiheit nicht gewährt wurde, entsprach dem sonst so liberalen Entwurf nicht; dies ist aber wohl ebensosehr eine Folge der bestehenden konfessionellen Einheitlichkeit wie des Bestrebens, diese und damit den konfessionellen Frieden zu bewahren. Weder die Frankfurter noch auch die Liechtensteiner Bestimmungen über Religion, Kirche und Schule konnten den Vorstellungen der Geist- lichkeit genügen. Der Bischof von Chur hatte schon im Juni 1848 beim Fürsten besorgte Vorstellungen wegen der Konzessionen an das Volk, welche auch kirchliche, und bischöfliche Rechte berührten, angebracht. Er erwartete die Aufrechterhaltung der «bischöflichen Oberaufsicht im Erziehungswesen»,55 setzte sich für die Zehnten der Geistlichkeit ein und forderte für den Fall einer Ablösung vollen Ersatz.50 Sein Anspruch auf die oberste Aufsicht über das liechtensteinische Schulwesen bedeu- tete allerdings einen Eingriff in die Staatshoheit. Fürst Alois, der im Zusammenwirken von Staat und Kirche eine wesentliche Grundlage für das materielle und sittliche Wohl des Volkes erblickte, hatte zuvor schon die bischöfliche Kurie beruhigen lassen.57 Nun versprach er dem Bischof, den Einfluss der Kirche auf die Schule nach Möglichkeit zu sichern und die Zehntablösung gerecht durchzuführen, verhehlte aber nicht, dass die Kirche wohl in beiden Fragen empfindliche Abstriche erleiden müsste.58 Im Volk und in der Geistlichkeit des Fürstentums wirbelten die Religionsartikel der Frankfurter Grundrechte einigen Staub auf. Einzelne Pfarrer hielten «fulminante Predigten gegen die Aufhebung der Staatsreligion und gegen das Entziehen der Aufsicht über die Schulen»!59 55 Schule und Erziehungswesen könnten nur von der Religion ausgehen und dürften nur durch sie allein geregelt und niemals von ihr getrennt wer- den; Bischof Caspar von Carl an Fürst, 20. Juni 1848, HK 1848/10688. 56 Der Bischof missbilligte besonders die Aufhebung des Novalzehnten, denn da zwei Drittel desselben den Geistlichen zustand, mussten manche Pfrün- den einen grossen Teil ihrer Dotation verlieren; ebda. 57 Für den Schutz der Kirche erwartete Alois II. aber auch des Bischofs Ein- wirken auf den liechtensteinischen Klerus, damit dieser im Land zur Ruhe mahne; Schreiben vom 10. Apr. 1848, HK 1848/4471 (4477). 58 Fürst an den Bischof von Chur, 28. Nov. 1848, HK 1848/10688. 59 Ludwig Grass an Karl Schädler in Frankfurt, 1. Febr. 1849, LRA Schädler Akten 311. 136
	        

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