Die menschlichen Überreste der spätrömischen Höhensiedlung auf „Krüppel" ob Schaan Fürstentum Liechtenstein von Kurt Gerhardt Während die kulturgeschichtliche Bodenforschung seit mehr als einem Jahrhundert die Begegnung der Römer mit Kelten, Illyriern, Germanen in den Stromgebieten von Rhein und Donau planmässig und erfolgreich aufzuhellen unternimmt, hat die Anthropologenschaft die ihr hierbei zufallenden Aufgaben nur sporadisch angenommen. Dies liegt keineswegs an einer allgemeinen Spärlichkeit des knöchernen Fundgutes, sondern ist in den mehrfachen unglückseligen Fehlorien- tierungen des Faches begründet. So sind denn auch unsere anthropolo- gischen Kenntnisse über die Bevölkerungen Rätiens aus der spät- römischen Kaiserzeit geradezu ärmlich; wir wissen von den rassischen Abkünften, dem körperlichen Leben, Kranksein und Sterben der Men- schen selbst so wenig, dass schon jeder Einzelfund Neues und Förder- liches einbringen kann, sofern er fachkundig befragt wird. Das hier vorgelegte Material umfasst nur ein einziges Skelettindividuum und eine nicht dazu gehörende Schädelscherbe, die sich in anderen Fund- zusammenhängen einstellte. Dennoch habe ich die Bearbeitung aus den angedeuteten Gründen gern übernommen: wer die grossen Fragen der Paläanthropologie von den alten Gebeinen beantwortet haben will, muss erst einmal bereit sein, auch auf bescheidene Auskünfte zu hören. Ich bin daher Herrn Dr. h. c. D. Beck, Präsident des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein, dankbar für den Auftrag und ebenso Herrn Dr. H.-J. Kellner, Direktor der Prähistorischen Staatssammlung zu München, für die vorsorgliche Vermittlung. Vermerkt sei noch, dass ich die nach der Ohraugenebene orientier- ten Zeichnungen der Schädelnormen mit dem Mollisonschen Dioptro- 127