Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1964) (63)

nicht das Ganze, das Leben selbst erzieht, ist die Sorge des Einzelnen selten belohnt durch guten Erfolg. Wenn der Geist des Ganzen alle durchdringt, so wird jeder Einzelne dadurch gehoben und veredelt und und kann nur wieder fruchtbar auf die Einzelnen zurückwirken. Die Erziehung hört für den Menschen nicht auf: Verschwinden unsere natürlichen, sichtbaren Erzieher, die Eltern und die Lehrer — und sie sind nur Hinweisungen auf den ewigen Erzieher, — so wirkt dieser, der unsichtbare Erzieher, nur desto mächtiger, je reiner jene gewesen sind, und unsere Sehnsucht nach ihm wird desto grösser, und sobald dies der Fall ist, verliert sich der Zug zum Irdischen und unser Inneres klärt sich auf, wie der Himmel nach trübem Wetter. Vom Unterrichte kann man im allgemeinen sagen, er sei die An- fachung des Lichtes des Gedankens, das in tausend Strahlen gebrochen, mehr oder weniger dem Urlichte sich nähert. Nur der Geist kann den Geist unterrichten, das Leben des Geistes ist der Gedanke, der mehi oder minder ausgebildet ist, und an dem Gedanken muss sich der Gedanke entzünden, allmählich oder einschlagen wie der Blitz. Im letzteren Falle wird dann das Interesse rege, das immer wächst und dem Gedanken die Wärme verleiht, ohne die er nicht gross werden kann. Aber wie ist es möglich, dass der schon gebildete Gedanke den noch schlummernden wecke, wenn er sich ihm nicht in Liebe naht? Bedarf nicht eines des andern, der gebildete Gedanke des werdenden, dass er sich an ihm fühle, stärke und erwahre, der Werdende des Ge- bildeten, dass er an einer Autorität sich aufrichte und nicht ins Leere sinke ? Ohne Liebe ist alles mechanisch. Daher ist die Liebe das Fun- dament des Unterrichts. Was ist aber der werdende Gedanke anderes als der Glaube, und der Gewordene anderes als das Wissen? In dem, der unterrichtet, ist das Wissen und der höhere Glaube, und in dem, der unterrichtet wird, der Glaube; der Glaube bestätigt das Wissen und das Wissen bestätigt den Glauben. Das Band aber, das beide verbindet und den Glauben und das Wissen möglich macht, ist die Liebe. Das Prinzip der Erziehung ist die Liebe, das Prinzip des Unterrichts der Glaube, und die Bildung beruht auf beiden. Das wahre Wissen muss kindlich werden, zur Liebe und zum Glauben zurückkehren, woraus es geboren ist, und sich darin auflösen. Und so ist es mit dem wahren Unterricht. Die Erziehung ist praktisch, der Unterricht theoretisch, die Bildung vereinigt beides. 60
	        

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