Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1961) (61)

— 120 — Bis nach Aufführung meiner Symphonia werde ich Ihnen wieder schreiben, Theuerster Vater ! — Grüsse an alle Bekannten ! Nun, Theuerste Eltern ! leben Sie wohl; auf baldige Antwort harrend verbleibe ich Ihr dankbarster Sohn Jos. Rheinberger. München, 30. 8. 55. Theuerster Vater ! Ihrem Wunsche gemäss beeile ich mich, sogleich nach der Auf- führung meiner Symphonia zu schreiben. Als die Probe (letzten Frei- tag) war, bekam ich wohl etwas Angst: nicht wegen der Symphonie, sondern wegen den Musikern, welche gewöhnlich die Werke jüngerer Compositeurs nicht gern und auch schlecht spielen; als sie aber das Werk in der Probe kennen gelernt, spielten sie mit Eifer und Liebe; schon in der Probe klatschten mir die Musiker zu, als ich dirigierte. Gestern holte ich mir vom Kleiderverleiher einen passenden Ballanzug, der mir ausgezeichnet gut stand, und begab mich in den Concertsaal «zur Tonhalle». Als es nun halb 8 Uhr war und der ganze Saal voll Leute, sprang ich voll Freude auf die Erhöhung, wo das Dirigenten- pult steht, machte dem Publico eine Verbeugung und fing an. Es ist ein erhebender Gedanke, so an der Spitze von 80 Musikern zu sein, wenn sie alle auf das Zeichen zum Anfangen warten. Nun, alles ging gut, nach jedem der 4 Sätze stieg der Beifall und zuletzt wurde ich, weiss Gott wie oft, gerufen; mit dem Orchestre bin ich sehr zufrieden. Ich versichere Sie aber, Theuerster Vater ! dass ich bei der Auf- führung nicht eine Spur von Angst hatte, denn ich war meiner Sache gewiss, was mir Herr Schafhäutl sagte, welcher die grösste Freude hatte, mich als Dirigent und Componist zugleich auftreten zu sehen. Als ich nun nach der Symphonie, welche 
:iU Stunden dauerte, zu den Zuhörern herabkam, drängte alles zu mir, um mir zu gratulieren, Bekannte und Unbekannte; besonders das Adagio entzückte Alles; es hätte mich aber noch mehr erfreut, wenn Sie, Theuerster, bester Va- ter ! anwesend gewesen wären. Hr. Schafhäutl hörte ich hernach zu einem andern Professor sagen, es sei dies ein Werk, wie es nicht ein Knabe, sondern ein Mann von 30 Jahren mache. Dieses Urtheil freute
	        

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