Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1953) (53)

— 35 — nehmen; denn das emporstrebende Beamtentum hatte eine hämische Freude daran, in stolzer Überlegenheit die Volksvertreter zu kriti- sieren und zu bespötteln, nicht zuletzt in der versteckten Absicht, die eigene Leistung dadurch umsomehr hervorzuheben.33 Die Bildung der vom Volk gewählten Männer entsprach aller- dings nicht mehr den gesteigerten Anforderungen der Zeit. Zwar hatten die Jesuiten schon um die Mitte des 17. Jahrhunderts34 im nahen Feldkirch eine Lateinschule übernommen, aber die allgemeine Schulpflicht wurde in Liechtenstein erst 1805 eingeführt.35 Es ist deshalb verständlich, dass es Richter gab, die weder lesen noch schreiben konnten.36 In der benachbarten Schweiz3' und in Öster- reich38 nahm das Bildungswesen um 1800 einen raschen Aufschwung. Wie hätte unter diesen Umständen noch ein des Lesens und Schrei- bens unkundiger Richter bestehen können! Zahlreiche Richter er- klärten deshalb ihren Rücktritt mit der Begründung, den Aufgaben ihres Amtes nicht mehr gewachsen zu sein: «Nun da ich weder schreiben, noch lesen, vierweniger rechnen kann, da ich mit Weib und Kindern beladen bin, ersuche ich um Entlassung», bat ein Rich- ter den Landvogt am 22. Wintermonat 1808 um Enthebung von seinem Amte.39 Ein Bürger aus Schaan verschmähte das Richteramt, weil ersieh ganz unfähig glaubte, die Abrechnungen über die Kriegs- schäden in Ordnung zu bringen.40 Im Jahre 1799 hielt das Oberamt keinen der vom Gericht der Landschaft Schellenberg für die Rich- terstelle vorgeschlagenen Kandidaten für tauglich.41 Der Säckel- meister der Nachbarschaft Schellenberg wollte, «wenn nicht ein Richter sey, der ihm an die Hand gehen könne», zurücktreten, und 33. BH. HK. Wien, (1808) L 2 — 14, zeigt die erwähnte Tendenz deutlich. 34. E. Tomek, Kirchengeschichte Österreichs, II. Teil Innsbruck 1949, 621; A. Ludewig, Briefe und Akten zur Geschichte des Gym. u. Kollegs der Gesellsch. Jesu in Feldkirch, 1908/10; KB. 445; Mayer, 412 ff. 35. LRA. AR. Fasz. XXXIII 24, Erlass der Hofkanzlei. 18. Dez. 1805. 36. Vgl. Büchel, Triesen, 86. 37. His, 634 ff. 38. Hantsch II, 241. 30. HK. Wien L 2 —3, 3, Gesuch, 22. Dez. 1808. 40. 1. c, Bericht Menzingers, 15. Juni 1802. 41. LRA. AR. Fasz. XXII 23, Aktum, 10. Dez. 1799.
	        

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