Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1950) (50)

allerdings in eine Welt mit manchem Geheimnis. Es entstehen Blätter voll männlicher Kraft und straffer Rvthmik, andere voll erstaunlicher innerer Zartheit und fraulichem Empfinden, wieder andere voll kindlich lieblicher Einfalt. Manchmal spricht aus den Zeichnungen seelisch zergliedernde Denkart, manchmal gemüttiefe Er- griffenheit, gesteigert bis zur visionären Erhabenheit, manchmal all- tägliche Nüchternheit bis zur Derbheit und bisweilen selbst ein leiser Schalk. Ein seelischer Reichtum, der wie ein verschütteter Quell auf einmal an den Tag bricht! Wir begreifen, dah all das lange verhalten in seinem Innern gelebt und zur Gestaltung ge- drängt haben muh, bis endlich der bejahrte Mann es in ungeahnter Fülle und Reife nach auhen geben muhte. Weil nun diese Offenba- rung des Innern ohne äuheren Zwang, selbst ohne bestimmte Verwer- tungsabsicht vor sich ging, war sie auch ganz frei von Hemmungen und Rücksichten, nur sich selbst genügend. Dah hiebei nicht alles bis aufs letzte offen nach Form und Inhalt zu vertreten wäre, ist ver- ständlich. — dah aber alles aus tiefem Erlebnis geboren, wird jeder dem Künstler zugeben müssen, der in diese Blätter Einsicht hat. Es sind freilich keine Entwürfe für Bilder an öffentlichen Kirchwänden, vielmehr Darstellungen still verschlossener Versurckenheit, die so tief, wie sie in ihrem.Werden empfunden waren, so tief auch in ihrer Betrachtung zu ergreifen vermögen. Ein Tropfen Blut von Meister Eckehart! Unser Künstler ist eine tieffromme, kindliche Seele, die das Geheimnis der Erlösung anhand der Eoangelienberichte für sich durchlebt und ihr Erlebnis in ihrer Form zum Ausdruck bringt. Ich bin überzeugt, Nigg hat sich mit diesen Blättern zu den Wert- beständigen in der Kunst gestellt und seinem Namen ein bleibendes Ehrenzeichen gesetzt. Es wäre schade, wenn dies sein schönstes Erbgut irgendwo stumm und verschlossen liegen bliebe, wie es unser Künst- ler still und im Verborgenen geschaffen. Es war so seine Eigenart und man konnte ihn mit allem Wohlmeinen nicht dazu bringen, seine Arbeit der Öffentlichkeit zur Kenntnis zu geben. Er wehrte entschieden ab. „Das begreift mir doch niemand!" Heute, halte ich dafür, sind wir dem Künstler und der guten Sache schuldig, das nachzuholen. Es wird keine Schaustellung einer laut lärmenden, berauschenden oder gar frech herausfordernden Modesache sein, aber eine stille Freude und Besinnung für ernsthafte, dem Höheren nicht entfremdete Menschen.
	        

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