Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1940) (40)

— 177 — Es war bewundernswert, wie Rheinberger die Kompositionen seiner Schüler durchging und zu gleicher Zeit die Arbeiten an der Tafel überwachte. 
Er schien ein vorgelegtes Stück nur durchzublät- tern und wußte doch ganz genau, was 
darin stand. Manchmal unter- brach 
er sich und sagte: „Aber das harmoniert ja gar nicht mit der Stelle vor 6 
Seiten —sehen Sie, hier; oder: „Das haben Sie ja gar nicht gemeint, 
sondern so", und immer traf er den Nagel auf den Kopf. Dann wandte er sich zur Tafel und rief kurz ein paar Noten zu, die in der Mittelstimme einer Fuge geändert werden sollten, und fuhr wieder in der Kritik des ersten Stückes fort. Man kam bei ihm nicht aus dem Staunen. Immer wußte er verschiedene andere Möglichkeiten und Auswege. Man würde aber fehlgehen, wenn man bei Rheinberger Man- gel an Humor annehmen wollte. Nur in den Schulstunden wurden Humoristics vermieden, ebenso aber auch Angriffe auf musikalische Zustände, die ihm nicht paßten. 
Es ist grundfalsch, wenn Richard Wagner in einem Brief an König Ludwig II. behauptet, Rhein- berger lasse keine Unterrichtsstunde vorübergehen, ohne ihn herab- zusetzen und mit Gift zu bespritzen. Siegfried Wagner hat in Dresden im Februar 1926 mit der Verlesung von 3 ungedruckten Briefen, worin der 
erwähnte Passus vorkommt, dem Andenken seines großen Vaters einen schlechten Dienst erwiesen. Hans Bußmeyer, der als Schüler und später als Kollege sein gaazes Leben lang mit Rheinberger in engster 
Berührung stand, erzählte mir im Sommer 1926, 
daß sich Rheinbetger niemals gegen Wagner gewendet habe. Adolf Sandberger schreibt in 
dem schon erwähnten Artikel, der auch in seine 
„Gesammelten Aufsätze zur Musikgeschichte" (München, Drei-Masken-Verlag) aufgenommen wurde: „Nie habe ich in un- seren Stunden nur ein einziges Wort aus seinem Munde gegen jene hohe Kunst gehört, 
die ihm so herzlich unsympathisch war. Und das in den achtziger Jahren, da wir noch um Wagner kämpften!" Ich kann aus persönlicher Erfahrung dazufügen: nie habe ich das Wort Wagner von ihm vernommen, weder in seinen Stunden, 
noch später bei meinen häufigen Besuchen in seinem Hause. Nur in einem Brief aus München vom 20. November 1897, den er an mich nach Helsing- fors sandte, las ich mit vergnügtem Schmunzeln: „Die Wagner-
	        

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