— 65 — Unser Justizwesen, welches sich seit Beginn des neun- zehnten Jahrhunderts immer mehr an
die österreichische Ge- setzgebung angelehnt hatte, erhielt unter der Regierung unseres jetzigen Fürsten eine
weitgehende Förderung. An Stelle der früheren, mit
vielem prozessualem Beiwerke verknüpften Be- stimmungen betreffend den Schuldentrieb wurde im Jahre 1365 ein neues
Gesetz geschaffen, das mit dem Schuldentriebs- verfahren im benachbarten Kanton St. Gallen Aehnlichkeit hatte und sich auch wieder an die einfache Uebung, welche schon in
alten Zeiten in der sogenannten Eantordnung
be- standen hatte,
anlehnte. Im nämlichen Jahre wurde auch das deutsche Handelsgesetzbuch bei uns eingeführt. Das Jahr 1371 brachte die
längst gewünschte Trennung
der Justizpflege von der Administration. Ein
wichtiger Fortschritt war die im Jahre
1381 beschlossene Strafprozeßnovelle, welche an Stelle des bisher üblichen geheimen
und inquisitorischen Straf- versahrens das öffentliche und mündliche Verfahren und das Schöffeninstitut einführte. Im Jahre 1384 folgte der Justiz- vertrag mit Oesterreich, worin
die österr. Regierung die für die liecht. Justizpflege nötigen richterlichen Beamten auf dem Wege der Beurlaubung für die Dauer der bisherigen
Dienst- leistung überläßt und die bereits im Jahre 1318 dem Ober- landesgerichte
in Innsbruck übertragene Funktion einer dritten Instanz in Zivil- und Strafsachen des Landes neu bekräftigt wurde. An Stelle der früher üblichen Stempelbogen waren bereits im Jahre 1378 Stempelmarken eingeführt worden. Spätere Ergänzungen des Stempelgesetzes folgten in den Jahren 1333 und 1893. Den Anforderungen
moderner Justiz- pflege entsprachen endlich in hervorragender Weise
die erst in den letzten Jahren nach langen
Verhandlungen beschlossenen neuen und umfangreichen Gesetze
zum Zivilprozeß- und Straf- verfahren. Auch die
in jüngster Zeit eingeführten Vermittler- ämter, die
sich in der
kurzen Zeit ihrer Tätigkeit gut bewährt haben, sind
hier noch als
begrüßenswerter Fortschritt zu nennen. Wie aus den seit Gründung der
Verfassung allseitig vor- genommenen Einrichtungen unseres kleinen
Staatslebens ersehen werden kann, wurde gegenüber den früheren mehr
patriar- chalischen Zuständen der Mehrbedarf von Arbeitskrästen selbst-