Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (2010) (109)

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Gerichten die Mehrheit der Richter und Ersatzrich 
ter liechtensteinische Staatsbürger sein mussten. 203 
In bürgerlichen Rechtssachen hatte in erster In 
stanz das Landgericht durch Einzelrichter zu ent 
scheiden. 204 In Strafsachen war im Verfahren wegen 
Übertretungen ebenfalls eine Einzelrichterbeset 
zung vorgesehen, bei strengeren Strafandrohungen 
war jedoch schon in erster Instanz ein Kollegium zu 
ständig, im Verfahren wegen Vergehen in Form des 
Schöffengerichts, im Verfahren wegen Verbrechen 
in Form des Kriminalgerichts. Das Schöffengericht 
bestand aus einem Dreiersenat, dem Landrichter 
als Vorsitzenden und zwei Schöffen sowie drei Er 
satzschöffen, das Kriminalgericht aus einem Fün 
fersenat, bestehend aus einem Präsidenten, einem 
Stellvertreter, dem Landrichter, drei weiteren Krimi 
nalrichtern und zwei Ersatzrichtern. Der Präsident, 
dessen Stellvertreter und die weiteren drei Krimi 
nalrichter wurden vom Landtag gewählt. Die drei 
Kriminalrichter wurden aus den Schöffen bzw. Er 
satzschöffen entnommen. Die anderen Schöffen 
bzw. Ersatzschöffen waren Ersatzrichter der Krimi 
nalrichter. Jeder wahlfähige Bürger war verpflich 
tet, eine auf ihn fallende Wahl als Richter anzuneh 
men. Das «Amt eines Kriminal- und Schöffenrich 
ters» wurde «daher als ein Amt angesehen». 205 
Das Obergericht als zweite Instanz hatte sowohl 
in Zivil- als auch Strafsachen bis 1934 206 in einem 
Dreiersenat, danach in einem Fünfersenat zu ent 
scheiden, der Oberste Gerichtshof als dritte Instanz 
entschied in einem Fünfersenat. Für das Oberge 
richt wurden, einvernehmlich mit dem Landtag und 
auf dessen Vorschlag vom Landesfürsten ein Vorsit 
zender, dessen Stellvertreter, sowie vier Oberrichter 
nebst ebenso vielen Ersatzrichtern auf die Dauer 
von vier Jahren ernannt. Je einer von den Oberrich 
tern und den Ersatzrichtern musste rechtskundig 
sein. Bei der Auswahl der Oberrichter und der Er 
satzrichter war «darauf Bedacht zu nehmen, dass 
die beiden Landschaften und gleichzeitig der Stand 
der Bauern, Gewerbetreibenden, Arbeiter, der Kauf 
leute und der Erzieher vertreten sind». Die Mitglie 
der des Obersten Gerichtshofs (Präsident, sein Stell 
vertreter, vier Richter und vier Ersatzrichter) wur 
den in gleicher Weise wie für das Obergericht be 
stellt. Der Landtag übte sein Vorschlagsrecht in 
Form der geheimen Wahl mit absolutem Mehr aus. 
Dabei war zu beachten, dass mindestens die Mehr 
heit der Richter und Ersatzrichter Staatsbürger sein 
mussten. 207 Die Geschäfte des Obergerichts wurden 
1973 auf zwei 208 , 2002 auf drei Senate 209 von jeweils 
fünf Richtern verteilt. 
Richterbestellung 
Hinsichtlich der Richterbestellung wurde für bür 
gerliche Rechtssachen und Strafsachen eine unter 
schiedliche Regelung getroffen. Zur Bestellung der 
in bürgerlichen Rechtssachen tätig werdenden 
Richter aller drei Instanzen war das Zusammenwir 
ken von Fürst und Volk erforderlich. Das Recht zur 
Wahl der Richter lag beim Landtag, das Recht zu de 
ren Ernennung beim Fürsten. Die Organisation der 
Strafgerichte erster Instanz wurde hingegen anders 
geregelt. Im Gegensatz zu den Landrichtern und den 
Mitgliedern des Obergerichts und des Obersten Ge 
richtshofs wurden die Richter des Kriminal- und des 
Schöffengerichts, mit Ausnahme des darin von Ge 
setzes wegen tätigen Landrichters, vom Landtag ge 
wählt. Sie bedurften zu ihrer gesetzmässigen Bestel 
lung weder der Ernennung noch einer Bestätigung 
durch den Landesfürsten. «Die Durchbrechung des 
Prinzips der Mitwirkung von Fürst und Volksvertre 
tung zur Richterbestellung bei Kriminal- und Schöf 
fengericht zu Gunsten der Alleinbestellung durch 
das Parlament» war «die folgerichtige Weiterent 
wicklung des seit der Strafprozessnovelle von 1881 
bestehenden Rechtes des Landtags, die Laienrichter 
(Schöffen) zu wählen.» 210 
Im Bestellungsvorgang und in der neu festgeleg 
ten Laienmehrheit in den beiden genannten Straf 
gerichten kamen die verstärkten Mitwirkungsrechte 
des Volkes an der Gerichtsbarkeit deutlich zum Aus 
druck. Es gab nun kein liechtensteinisches Gericht 
mehr, in dem nicht mindestens ein vom Parlament 
gewählter und über dessen Vorschlag vom Fürsten 
ernannter Richter Einsitz hatte. Der Grundsatz der 
Landesverfassung, wonach die Staatsgewalt im 
Fürsten und Volke verankert ist (Art. 2), galt wesent 
lich auch für die Gerichtsbarkeit: «Fürst und Volk, 
letzteres vertreten durch seine gewählten Landtags
	        

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