Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (2010) (109)

GESCHICHTE DES LAIENRICHTERTUMS IN 
LIECHTENSTEIN / ALOIS OSPELT 
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fungsverfahren eingeführt. 167 168 169 170 171 172 173 174 175 176 Es werde also mit der 
Verlegung der Rekursinstanzen in Liechtenstein 
«die österreichische Regel wiederum eingeführt». 177 
Noch notwendiger als in Zivilsachen sei eine münd 
liche Berufungsverhandlung in Strafsachen, «wo es 
in manchen Fällen noch um viel höherwertige Gü 
ter, um Freiheit, Ehre, Leben» gehe. 178 Offen zeigte 
sich Beck gegenüber der Frage, «ob das bisherige 
Schöffengericht als Gerichtshof erster Instanz zur 
Beurteilung von Vergehen nicht aufgelassen werden 
sollte». Dieser Gerichtshof trete fast nie in Funktion. 
Die Beurteilung der Vergehensfälle könnte entwe 
der dem Kriminalgerichtshof oder dem Landgericht 
überwiesen werden. 179 
Hinsichtlich vorgebrachter Einwände gegen das 
«Laienrichtertum» wies Beck daraufhin, «dass heu 
te schon in Gewerbegerichten, in Handelsgerichten 
und ähnlichen beruflich und fachlich organisierten 
Gerichten die moderne Gesetzgebung immer mehr 
und mehr das Laienelement zur Rechtssprechung in 
bürgerlichen Rechtssachen» heranziehe. Es seien 
damit «im Grossen und Ganzen auch recht gute Er 
fahrungen gemacht worden». «In vielen Staaten» 
sei «überdies das Laienelement zur Rechtsspre 
chung nicht nur in allen Strafsachen, sondern in al 
len Zivilsachen herangezogen worden». Das solle 
nun «teilweise auch bei uns geschehen». Die Laien 
richter würden in erster Instanz nur in Strafsachen 
herangezogen, dagegen beim Obergericht in allen 
bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten und Strafsachen. 
Beck war «nach seinen eigenen Erfahrungen über 
zeugt, dass man damit auch in Liechtenstein recht 
gute Erfahrungen machen» werde und fuhr fort: 
«Bei dem Übergewichte, das der rechtskundige 
Richter infolge seiner Kenntnisse besitzt, ist nicht zu 
befürchten, dass die beiden Laienrichter ihre eige 
nen Wege gehen werden. Der Entwurf will dem Lai 
enelemente wenigstens im Berufungsverfahren und 
Revisionsverfahren auch die oben gestreifte, moder 
ne berufs- und fachgerichtliche Ausbildung mit in 
den Kreis der Regelung ziehen. Deshalb soll der 
Landtag bei Auswahl der Richter und Ersatzrichter 
auf den Stand der Bauern, Gewerbetreibenden, Ar 
beiter und Erzieher Rücksicht nehmen, und es soll 
das Gericht, wenn ein Berufskenntnisse erfordern 
der Fall zur Behandlung kommt (z.B. ein speziell die 
Landwirtschaft interessierender Fall, Gewährleis 
tungsfall, Dienstbarkeit usw. oder, wenn ein Fall 
vorliegt, bei dem ein Jugendlicher beteiligt ist und 
der anderswo vor das Jugendgericht gehört), ent 
sprechend besetzt werden.» 180 
Unter Verweis auf «Akten im Regierungsarchiv» 
und die historischen Publikationen von Peter Kaiser 
und Albert Schädler verglich Beck die anstehende 
Reform der Gerichtsorganisation mit der Landam 
mannverfassung vor 1720: «Geschichtlich sei daran 
167) Vgl. dazu: Beck, Kommissionsbericht; Beck, Bericht; Ritter, 
Karlheinz; Ospelt, S. 241 f.; Wille, Herbert; Oehry, Organisation; 
Oehry, Fürst und Volk; Kohlegger, Richter in Liechtenstein; Wasch 
kuhn, Justizrechtsordnung; Fürst und Volk; Waschkuhn, Politisches 
System, S. 191-208; Berger; Pallinger; Wille, Herbert: Gerichtswesen 
seit 1921. Artikel im Historischen Lexikon für das Fürstentum 
Liechtenstein. 
168) Auskunft Rupert Quaderer vom 22. Februar 2008 über das 10- 
Punkte-Programm vom 18. Dezember 1918. 
169) Vgl. oben, S. 56-75. 
170) Auskunft Rupert Quaderer vom 22. Februar 2008 über das 
Parteiprogramm der Volkspartei vom 18. Januar 1919. 
171) Verfassung des Fürstentums Liechtenstein vom 5. Oktober 1921 
(LGB1. 1921, Nr. 15), Art. 97, 101, 105, 108. 
172) In der Literatur wird, wohl ausgehend von der geübten Beset 
zungstradition der Gerichte, verschiedentlich behauptet oder zumin 
dest der Eindruck erweckt, die Laienmehrheit in sämtlichen Gerich 
ten sei gesetzlich zwingend vorgeschrieben worden. Vgl. Kohlegger, 
Richter in Liechtenstein, S. 286; Waschkuhn, Justizrechtsordnung, 
S. 40; Fürst und Volk, S. 217-222; Berger, S. 265. 
173) LLA RE 1919/071; RE 1920/1887; RE 1921/963. 
174) LLA RE 1925/2255; LTA 1925/L 05. 
175) Beck, Bericht. - Der gedruckte Bericht ist undatiert. Wilhelm 
Beck dürfte seinen wesentlichen Inhalt am 16. März 1922 in der 
Finanzkommission des Landtags vorgetragen haben, die den vorge 
legten Entwurf der neuen Gerichtsorganisation zur Beratung im 
Landtag verabschiedete. Der Bericht war wohl auch die Grundlage 
für das allgemeine Referat, das Beck in der Landtagssitzung vom 
28. März 1922 über das Gerichtsorganisationsgesetz gehalten hatte 
(LLA Landtagsprotokolle 1922). 
176) Ebenda, S. 2. 
177) Ebenda, S. 5. 
178) Ebenda, S. 6. 
179) Ebenda, S. 7. 
180) Ebenda, S. 8.
	        

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