Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (2010) (109)

GESCHICHTE DES LAIENRICHTERTUMS IN 
LIECHTENSTEIN / ALOIS OSPELT 
51 
tionsnorm, ein «bürgerliches, peinliches und Poli 
zeigesetz» samt entsprechender Verfahrensord 
nung zu erarbeiten. 52 Damit wurde auch subsidiäres 
Reichsrecht, so die Peinliche Gerichtsordnung Karls 
V. (PGO) und die Polizeiordnung von 1732, ersetzt. 
Gemäss den Dienstinstruktionen wurde der bis 
herige Beizug der Landammänner zu den Verhörta 
gen als Beisitzer aufgegeben. Die gerichtlichen Ver 
handlungen waren vom Oberamt, bestehend aus 
Landvogt, Rentmeister und beeidetem Gerichtsak 
tuar, durchzuführen. Nur in Polizei- und Strafsa 
chen war «der betreffende Ortsrichter des Untersu 
chenden» beizuziehen. 53 Die Landammanngerichts 
barkeit wurde ganz abgeschafft. Allein das Oberamt 
hatte die Gerichtsbarkeit mit Unterstützung der von 
ihm aus einem Dreiervorschlag der Gemeinden be 
stellten Ortsgerichte (Gemeindevorstehungen) aus 
zuführen. 54 
Der Landvogt hatte für all jene Bereiche gesetzli 
che Regelungen zu schaffen, in denen in Österreich 
seit Josef II. Gesetze und Kodifikationen bereits aus 
gearbeitet waren oder noch in Bearbeitung standen. 
Die in Österreich Ende des 18. Jahrhunderts durch 
geführten Reformen im Rechts- und Gerichtswesen 
wurden in Liechtenstein also erst etliche Jahre spä 
ter angegangen. 
Nachdem erste Gesetze noch selbständig ausge 
arbeitet worden waren, ging Fürst Johann I. bereits 
1812 zur systematischen Rezeption der österrei 
chischen Gesetzgebung über. In diesem Jahr wur 
den das allgemeine bürgerliche Gesetzbuch von 
1811, die allgemeine bürgerliche Gerichtsordnung 
von 1781 und das Strafgesetz von 1803 übernom 
men. Damit war auch ein neues rechtliches Funda 
ment für die Gerichtsorganisation gegeben. 
Mit dem Wegfall der Reichsinstanzen gab es in 
Liechtenstein nur noch zwei Gerichtsinstanzen, das 
Oberamt als Regierungsbehörde und Gerichtsbe 
hörde erster Instanz, sowie die fürstliche Hofkanzlei 
in Wien als Appellationsgericht. Nach der Aufnah 
me Liechtensteins in den Deutschen Bund 1815 
musste das Fürstentum auch eine dritte Gerichtsin 
stanz schaffen. Sie konnte 1818 beim Oberlandesge 
richt Innsbruck eingerichtet werden. Die Landstän 
dische Verfassung von 1818 nahm lediglich Bezug 
auf die eingeführte österreichische Gerichtsord 
nung und dritte Gerichtsinstanz, enthielt aber keine 
neuen Bestimmungen zur Rechtspflege. Nach § 16 
hatte der Ständelandtag «im bürgerlichen, politi 
schen und peinlichen Fache» keine Mitsprache, so 
gar Vorschläge zu machen, war ihm verboten. 55 
Mit der Staatsreform von 1808 waren jegliche 
Mitwirkung von Laien und Beteiligung des Volkes an 
der staatlichen Gerichtsbarkeit beseitigt worden. 
Gemäss Strafgesetz 1803 war im Verfahren bei 
schweren Polizeiübertretungen die Gerichtsbarkeit 
durch die politischen Obrigkeiten auszuüben 
(§276). Die zuständige Behörde hatte aus einem 
Richter und einem Aktuar zu bestehen (§ 290). In 
Liechtenstein hatte das Oberamt diese Funktion. 
Eine winzige, unscheinbare Spur des Einbezugs 
der Bevölkerung in das Gerichtsverfahren legte 
§137 der Allgemeinen Gerichtsordnung von 1781. 
Danach war zu einem vollständigen Beweise, wenn 
er durch Zeugen geführt werden wollte, die einstim 
mige Aussage zweier unbedenklicher Zeugen erfor 
derlich. Durch eine solche rechtliche Überweisung 
(ordentlicher Beweis) war im Strafverfahren ge- 
52) Ebenda, Punkt 1. 
53) Ebenda, Punkt 11. 
54) Ebenda, Punkt 12. 
55) Zur landständischen Verfassung vgl. Quaderer, S. 12-30. 
Schlussseite des Rechts 
gutachtens der juristischen 
Fakultät der Universität 
Freiburg i. Br. vom 
26. November 1799. Die 
Schlussfolgerungen des 
Gutachtens bildeten den 
endgültigen Entscheid im 
Streit zwischen den Ge 
meinden Schaan und Va 
duz über die Aufteilung 
des Gemeindegebiets.
	        

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