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In der Folge wurden fast alle Metzger des Landes
in Strafuntersuchung gezogen. Unter anderem hatte
ein Vaduzer Metzger zwei Jahre lang ohne Rationie
rungscoupons Fleisch an die fürstliche Domänen
verwaltung geliefert 44 - also wohl auf den Tisch im
Schloss.
Werfen wir noch einen Zucker-Blick auf die etwa
hundert Imker im Lande. Ihnen wurde Zucker zur
Fütterung der Bienen zugeteilt, in der gesamten Ra
tionierungszeit zusammen 114 Tonnen. 45 Ange
sichts dieser Gesamtmenge resümierte der Leiter
des liechtensteinischen Kriegswirtschaftsamtes
1948 im Schlussbericht, nicht ohne Unterton:
«Hoffentlich haben die arbeitsamen Bienen diesen
Zucker auch zu verarbeiten vermocht!» 46
War der Argwohn berechtigt? Rechnet man das
Quantum auf die durchschnittlich 1 400 Bienenvöl
ker und über acht Jahre Zuckerrationierung um, so
traf es pro Volk und Jahr rund 10 kg Zucker - ge
mäss Auskunft des Bienenfachmanns Manfred Bie
dermann und einer bayrischen Imker-Website eine
normale Zuckerfütterung. 47 Auch war der Bienen
zucker mit etwas Sägemehl und Sand «vergällt».
Dennoch hielt sich das Gerücht, der Rekordstand
von über 1 500 Bienenvölkern 1945 sei weniger aus
«Liebe zu den Bienen» als «wegen der Zuckermar
ken» erreicht worden. 48 Was schliessen wir daraus?
Sollte wirklich Bienenzucker abgezweigt worden
sein, hätten die arbeitsamen Bienen gehungert.
WEITERE RATIONIERTE GÜTER
- Kleider
- Schuhe
- Seife und Waschmittel
- Pneus und Schläuche
- Treibstoff
- Kohle
- Teer, Zement
- Kunstdünger
- Pflanzenschutzmittel
Peter Geiger, 2009
WEITERE RATIONIERTE UND
KONTINGENTIERTE GÜTER
Neben Lebensmitteln waren eine Reihe von wichti
gen weiteren Bedarfsgütern rationiert oder kontin
gentiert: Kleider, Schuhe, Seife und Waschmittel,
Pneus und Schläuche, Treibstoff, Kohle, Brennholz,
Teer, Zement, Kunstdünger und Pflanzenschutzmit
tel. 49 Auf sie wird hier nur knapp eingegangen.
Ab November 1940 galt die Textil-, die Schuh-
und die Seifenrationierung. 50 Kleider und Stoffe wa
ren nur mit der «Kleiderkarte», mit Textilcoupons,
erhältlich. Ein Kleider-Coupon entsprach 100 g
Baumwolle oder 50 g Wolle oder 125 g Leinen. Klei-
der-Zusatz-Karten gab es für Arbeitskleider und -
verständlicherweise - für die damals textilreichen
Brautaussteuern. 51
Schuhe konnte man mit einer «Schuhkarte» kau
fen. Jeder Schuh war mit «Schuhpunkten» bewer
tet. 52 Für Berufe mit grosser Schuhabnützung gab es
Zusatz-Karten. 53 Gemäss schweizerischer Statistik,
differenziert nach Kantonen inklusive Liechten
stein, wurden in Liechtenstein von 1942 bis 1945
pro Person und Jahr durchschnittlich knapp 1,5
Paar Schuhe gekauft, das war doppelt so viel wie in
beiden Appenzell (0,8 pro Jahr). 54
Für die Rationierung von Seife und Waschmitteln
war der Grund Fettmangel. Zum Kauf gab es eine
«Seifenkarte». 55 Darauf wie auf den Seifen und
Waschmitteln selber war nun der Fettstoffgehalt in
«Einheiten» angegeben, eine «Einheit» entsprach 1
Gramm Fett. Die Seifenrationen erlaubten 1944
noch ein Viertel des Normalverbrauchs. 56 Diese drei
genannten Rationierungen scheinen die liechten
steinische Bevölkerung nicht sonderlich gedrückt zu
haben - man war ohnehin mit Kleidern, Schuhen
und Seife sparsam.
Schwieriger war es bei Pneus und Schläuchen für
Fahrräder, man brauchte sie für den Arbeitsweg.
Pneus und Schläuche waren ab dem Frühjahr 1942
rationiert. Damals waren in Liechtenstein fast 5 000
(4 885) Fahrräder in Gebrauch. 57 Von 1941 bis 1947
traf es innerhalb von acht Jahren pro Fahrrad nur
ein- bis zweimal einen Reifen (durchschnittlich 1,5